Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
unförmig. Aber darum geht es ja nicht, es geht um die Bewegung, den Ausdruck … und das kommt wirklich gut rüber.»
Jill lächelt Martha gönnerhaft an. «Du und Miller seid aber auch nicht schlecht. Wie du ihm auf der Treppe entgegenkamst, da sah es fast aus, als wolltest du dich aus lauter Liebe die Treppe runterstürzen.»
«Ich wäre auch fast gestürzt», sagt Martha.
Die S-Bahn hält, die beiden steigen ein.
«Aus lauter Liebe?», fragt Jill und grinst.
«Die oberste Stufe fing an zu wackeln, ich dachte, die bricht gleich unter mir zusammen.»
«Das hast du gut überspielt», sagt Jill.
Sie setzen sich gegenüber von zwei blonden Mädchen in ihrem Alter, die auf ihre Handys einhämmern.
«Eigentlich wollte ich heute mit meiner Mutter shoppen», sagt Martha. «Aber sie muss mal wieder Babysitter spielen.»
«Die ist aber schon ziemlich süß, die Kleine», sagt Jill. «Du hast sie ja immer als Monster hingestellt.»
«Sie ist ein Monster!», brüllt Martha.
Die beiden Blondinen gucken irritiert hoch, um sich gleich wieder ihren Handys zuzuwenden.
Jill legt Martha beruhigend die Hand auf den Arm. «Okay, du kennst sie natürlich besser als ich, ich meine ja nur, dass sie auf den ersten Blick ganz niedlich ist. Und am Daumen genuckelt hat sie auch nicht.»
«Natürlich nicht, das macht sie in der Öffentlichkeit ja nie, das raffinierte Biest», sagt Martha. «Aber kaum saßen wir im Auto, hatte sie den Daumen wieder drin.»
«Miller war auch ganz angetan von ihr», sagt Jill.
Martha nickt. «Er hat Englisch mit ihr gesprochen.»
«Wieso das denn?»
«Poppys Mutter war doch Amerikanerin, hab ich dir das nicht erzählt?»
Jill schüttelt den Kopf.
«Na, seit ihrem Tod hat Penelope jedenfalls mit niemandem mehr Englisch geredet, gestern zum ersten Mal.»
«Scheint ja doch ein Händchen für Kinder zu haben», sagt Jill. «Komm, wir sind da.»
Martha steht in der Umkleidekabine und stülpt sich ein rot-weißes Ringel-Shirt über den Kopf. Sie wirft einen kurzen Blick in den Spiegel und zieht es sofort wieder aus.
«Zeig mal», sagt Jill von draußen.
«Passt nicht», sagt Martha.
Sie hat schlechte Laune. Was bekommt man auch schon für fünfzig Euro? Nichts Anständiges jedenfalls. In billigen Teilen sieht man nur gut aus, wenn man so schlank ist wie Jill. Die kann ein verwaschenes T-Shirt aus dem Kiloshop anziehen und sieht darin immer noch wie ein Model aus.
Martha kommt aus der Kabine und wirft das T-Shirt auf den Berg mit Klamotten, hinter dem ein gepierctes Mädchen steht und geduldig alles ordnet und faltet und zusammenlegt.
Jill hält Martha eine schwarz-weiß gepunktete Bluse hin, mit einer kleinen Schleife am Kragen. «Das wär’s doch.»
«Die ist echt süß!» Martha dreht das Preisschild um. «Hundertneunzehn! Das ist ja der reinste Wahnsinn.»
«Nein, die reinste Seide», sagt Jill.
«Vergiss es, selbst wenn ich das Geld hätte, würde meine Mutter sie bloß in die 100 -Grad-Wäsche geben, zusammen mit all den vollgepinkelten Unterhosen von Poppy.»
«So was muss man reinigen lassen», sagt Jill, als sie den Laden verlassen.
«Reinigen! Geht’s noch?»
Martha betrachtet sich von der Seite im Schaufenster, und ihr gefällt nicht, was sie da sieht. Zu Hause fand sie sich in dem karierten Holzfällerhemd mit der engen Jeans noch ganz gut. Aber das Hemd stößt hinten auf und betont einen viel zu dicken Hintern. Sie zieht es glatt.
«Seit wir bei der Glatze wohnen, fresse ich nur noch», sagt sie. «Als ich noch mit meiner Mutter allein war, hatte ich das Problem nicht. Sie kocht nämlich grauenvoll.»
«Frustfressen», sagt Jill. «Kenne ich.»
«Du?», fragt Martha erstaunt.
«Als es so aussah, als würden wir das Stück nicht aufführen können, habe ich eimerweise Chips in mich reingestopft.»
«Aber du wirst nicht dick davon, ich werde schon fett, wenn ich Chips nur von weitem sehe.»
«Deine Mutter und du, ihr braucht eine eigene Wohnung», stellt Jill fest.
«Du sagst es, aber woher nehmen und nicht stehlen?»
«Ich wüsste schon, wie.» Jill bleibt vor einem Dessousgeschäft stehen. «Wie findest du die gestreifte Korsage?»
Martha verdreht nur die Augen. «Fang nicht wieder mit dieser Erpressergeschichte an. Das funktioniert doch nie.»
«Vielleicht ja doch», sagt Jill. «Du musst es nur versuchen.»
«Das traue ich mich nicht.»
Jill wendet sich um und sieht Martha an. Ihre Augen funkeln spöttisch. «Nun sei doch nicht so ein Angsthase,
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