Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
gewesen sein.» Martha steht auf und stellt ihren Teller und ihre Tasse in die Spülmaschine.
Ihre Mutter gießt sich noch einmal Kaffee ein.
«Sag mal, was war denn gestern mit Jills Mutter los?», fragt sie.
«Was meinst du damit?»
«Sie kam mir irgendwie so … so abwesend vor. Hat mich auch erst gar nicht erkannt. Ich meine, ich hab sie schon länger nicht mehr gesehen, zu den Elternabenden kommt sie ja nie und –»
«Du bist beim letzten Mal auch nicht hingegangen.»
«Da konnte ich nicht, weil Johannes Nachtdienst hatte und … ist ja egal, aber schließlich kennen Jills Mutter und ich uns seit eurer Einschulung.»
«Also, mich hat sie jedenfalls erkannt», sagt Martha, aber sie muss daran denken, wie Jills Mutter sich an ihren Mann geklammert hatte.
Constanze zuckt mit den Achseln. «Vielleicht war sie auch nur aufgeregt wegen Jills großem Auftritt. Ihr Vater hat ja die ganze Zeit nur gefilmt. Meinst du, wir können uns die Aufnahme später mal anschauen?»
«Ich kann Jill fragen, ob sie uns eine Kopie macht.»
Wenn Miller nicht mitgespielt hätte, würde sie sich das Ganze bestimmt nicht noch einmal angucken wollen. Aber jetzt … Wieder sieht sie seinen verlangenden Blick, spürt seinen Kopf in ihrem Schoß. Und fährt mit den Fingern durch seine Haare, die gar nicht so weich sind, wie sie gedacht hatte. Eher spröde. Und am Haaransatz dunkel. Wenn sie von Jill die Aufnahme bekommt, wird sie diese Szene in einer Endlosschleife immer wieder ablaufen lassen …
«Hilfst du mir mit der Küche?», reißt Constanze sie aus ihren Gedanken. «Dann sind wir schneller fertig und können los. Wo willst du denn zuerst hin?»
«Ich dachte an die kleine Boutique in der Mommsenstraße», sagt Martha. «Die, wo wir letztes Jahr meinen Mantel gekauft haben.»
«Das ist eine gute Idee, einen Mantel oder eine Jacke könnte ich auch gebrauchen. Nicht mehr lange, und wir müssen wieder heizen.»
Nicht mehr lange, und es ist Weihnachten, denkt Martha. Bis dahin müssen sie hier weg sein.
«Hast du überhaupt Geld?»
Ihre Mutter lacht. «Für heute reicht es. Johannes will nicht, dass ich Miete zahle. Er meint, wenn er mich nicht hätte, dann müsste er für Poppy ein Kindermädchen engagieren und das würde noch mehr Geld kosten.»
Martha liegt auf der Zunge zu sagen: «Siehst du jetzt, was du für ihn bist? Ein billiges Kindermädchen, das dazu noch putzt und wäscht und ihm das Bett warmhält!» Aber sie schluckt es runter, kein Streit heute. Sie freut sich wirklich darauf, mit ihrer Mutter bummeln zu gehen, danach vielleicht in ein Café, vor allem freut sie sich darauf, endlich für ein paar Stunden mit ihr allein zu sein. So wie früher.
Als sie schon halb aus der Tür sind, klingelt das Telefon. Martha will ihre Mutter zurückhalten, aber die nimmt den Hörer ab. «Hier bei Wiebrecht. Ja? Oh … ich verstehe … kein Problem, in spätestens einer Viertelstunde bin ich da.»
Sie sieht Martha entschuldigend an, und die weiß, was gleich kommt.
«Es tut mir leid, mein Schatz, aber wir müssen es verschieben. Poppy musste sich übergeben, Fieber hat sie auch, ich hole sie gleich ab.»
«Das kann doch Johannes machen, schließlich ist sie seine Tochter, nicht deine!», ruft Martha wütend.
Ihre Mutter legt den Finger auf ihre Lippen. «Pscht! Der Mann ist fix und fertig. Wer weiß, wie vielen Menschen er heute Nacht das Leben gerettet hat, Martha. Da hat er doch verdient, dass man ihn in Ruhe schlafen lässt, findest du nicht?»
Nein, das findet Martha ganz und gar nicht. Und als ihre Mutter ihr auch noch fünfzig Euro in die Hand drückt, damit sie sich selbst etwas kauft, da weiß sie, dass sie auf den Mutter-Tochter-Tag ewig warten kann.
Sie müssen raus hier, weg von der Glatze, weg von dem Monster, einfach nur weg!
Jill hat Zeit, gute alte Jill! Martha ist so froh, dass sie jetzt nicht allein vor sich hin brüten muss, dass sie es sogar erträgt, dass Jill die ganze Zeit nur von sich und der Aufführung gestern redet.
«Ich hab mir die Aufnahmen von meinem Vater schon zweimal angeschaut», beginnt sie, als sie sich am S-Bahnhof treffen. «Also nicht aus Eitelkeit oder so, aber ich will wissen, ob ich mich damit bewerben kann.»
«Auf jeden Fall!», sagt Martha, um ihrer Freundin zu schmeicheln.
«Na ja, mein Vater hat manchmal so eine blöde Perspektive gewählt, so von unten, da sehe ich richtig fett aus.» Jill winkt ab, als Martha ihr widersprechen will. «Doch, doch, total
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