Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Klasse gern geprügelt», sagt Constanze. «Martha war mit ihm auf der Grundschule. Genau wie mit Jill.»
«Die war doch toll, oder?», sagt Martha.
«War sie. Die Rolle ist ihr aber auch auf den Leib geschrieben.»
«Führt ihr das Stück noch einmal auf?», fragt Johannes.
Martha nickt. «Mittwochnachmittag, wenn wir normalerweise Theater- AG hätten. Das ist dann für die ganze Schule.»
«Könnte ich da auch kommen?»
Ehe Martha etwas erwidern kann, sagt ihre Mutter schnell: «Aber natürlich. Jills Mutter wollte sich das Stück auch noch einmal ansehen.»
Johannes steht auf. «Ich hau mich aufs Ohr, ihr Lieben. Aber heute Abend koch ich uns was richtig Feines. Wie wär’s mit einem Kalbsrahmgulasch und dazu Kartoffelgratin?»
«Du musst nicht kochen», sagt Constanze.
«Du weißt doch, dass ich das sehr, sehr gern mache.» Johannes beugt sich über sie und gibt ihr einen Kuss. Sie streicht ihm über den Kopf, über die Glatze. Martha starrt angewidert auf ihren Teller, sie könnte kotzen.
«Martha?»
Sie blickt hoch. Johannes lächelt sie an. «Nur zu deiner Beruhigung. Ich habe Frau Dr. Dernburg nicht umgebracht. Ich bin nach Pams Tod ganz kurz bei ihr in Behandlung gewesen. Ich war am Boden zerstört, völlig am Ende, wusste aber, dass ich irgendetwas tun musste, um Penelope ein guter Vater zu sein. Ich hab nie viel von Psychotherapie gehalten, aber ich dachte, vielleicht hilft es ja, und weil es so bequem war, bin ich zu ihr gegangen. Damals hatte sie die Praxis noch in ihrer Wohnung.»
«Du musst mir das nicht erzählen», sagt Martha.
«Ich muss nicht, aber ich möchte, dass du weißt, was vorgefallen ist. Wir leben hier auf so engem Raum zusammen, da ist es wichtig, dass man ehrlich miteinander ist und –»
Martha versenkt ihr Gesicht in der Kaffeetasse.
«– und ich war nicht ehrlich zu euch, das tut mir leid. Ich hätte gleich sagen sollen, dass ich bei ihr war. Aber ich hab das total verdrängt, es war schrecklich. Sie hat meine völlig natürliche Trauer nämlich auf ein Geburtstrauma zurückgeführt und wollte, dass ich mich mit Hilfe ihrer Urschrei-Therapie wieder zurück in den Mutterleib begebe – so einen Blödsinn eben.» Er lacht bitter. «Ich hätte gleich stutzig werden sollen, als ich mich bei ihr auf die Couch legen musste, direkt mit Blick auf eine grässliche Plastik, die den Schrei darstellte.»
«Das ist doch ein Bild», sagt Martha.
«Die Dernburg hat mir erzählt, dass sie extra nach dem Munch-Gemälde für ihre Praxis eine Plastik hat herstellen lassen. Das Bild finde ich ja schon grenzwertig, aber dreidimensional ist es fast noch schlimmer.»
«Weiß denn die Polizei inzwischen mehr?», fragt Martha.
Johannes schüttelt den Kopf. «Wenn ihr mich fragt, dann wissen die gar nichts. Klar ist wohl nur, dass der Mörder kurz nach der Tat ihre Praxis durchsucht hat. Wahrscheinlich hat er dafür ihren Schlüssel benutzt, der ist ja nie aufgetaucht. Und bestimmt hat er alles mitgenommen, was auf ihn als Patienten hätte schließen lassen können. Die Dernburg hatte keinen Computer, die hat alles noch ordentlich auf Karteikarten geschrieben. Ihr Terminkalender ist übrigens auch weg.»
Johannes will in sein Zimmer gehen, aber so leicht lässt Martha ihn nicht davonkommen.
«Und warum bist du an dem Donnerstag früher nach Hause gekommen?», fragt sie. «Und warst so … hast so verzweifelt ausgesehen?»
Johannes bleibt stehen, die Türklinke in der Hand. «Ich war verzweifelt, Martha. Ein kleines Mädchen ist gestorben. Sie war vier Jahre alt, wie Poppy. Hat sich auf dem Spielplatz mit der Schnur von ihrem Anorak stranguliert. Wir haben alles versucht, sie aber nicht retten können. Den Schmerz der Eltern konnte ich einfach nicht ertragen.»
Martha weiß nicht, was sie sagen soll.
«Und außerdem habe ich damit ja wohl ein Alibi.»
«Wieso?», fragt Martha.
«Na, als ich nach Hause kam, bist du mir doch auf der Treppe entgegengekommen. Mit dem Päckchen. Da muss die Dernburg ja noch gelebt haben, sonst hätte sie es dir ja nicht geben können.»
Martha hätte am liebsten geschrien: «Nein, da war sie schon tot!» Aber sie beißt sich auf die Lippen. Entweder ist Johannes wirklich unschuldig, oder er spielt ein perfides Spiel mit ihr.
«Ich muss mich wirklich hinlegen, viel Spaß beim Shoppen.»
«Was sollte das eben?» Constanze sieht Martha stirnrunzelnd an. «Du verdächtigst Johannes doch nicht ernsthaft? Das ist ja lächerlich.»
«Irgendwer muss es ja
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