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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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begrenzt …[und die] Fortsetzung der Abholzung auf dem Niveau zu Kriegszeiten um ein weiteres Jahr hätte den Fichtenbestand, der mit sinnvollem Aufwand an Geld und Einsatz sichergestellt werden sollte, praktisch erschöpft … Nur die großen Fichten enthalten das astreine feinmaserige Holz, das benötigt wird, und diese Bäume zu ersetzen dauert Jahrhunderte. Der größte Teil des Materials für Flugzeuge wurde aus Bäumen gesägt, die zwischen fünfhundert und achthundert Jahre alt sind, und es steht zu bezweifeln, dass die nachfolgenden Bestände je dieselbe Qualität erreichen werden wie diese Urwälder.
    Obschon derartige Befürchtungen während der darauf folgenden Jahrzehnte regelmäßig geäußert wurden, sollten mehr als fünfzig Jahre vergehen, bis sinnvolle Maßnahmen ergriffen wurden. Doch bis dahin waren viele der Inseln und ein großer Teil der Küste zu Mondlandschaften verschandelt worden.
    Der durchorganisierte Angriff der Fichtensoldaten auf die Küstenwälder half das Zeitalter der modernen Holzfällerei einzuleiten, in dem die Technik zur Ausschlachtung der Wälder schrittweise die Fantasie derjenigen zu überflügeln begann, die sich dieser modernen Mittel bedienten. Sie führte überdies zu phänomenaler Verschwendung: Da weniger begehrte Arten wie Hemlock- und Balsam-Tanne zugunsten ihrer profitableren Nachbarn unbeachtet blieben, verrotteten – oder verbrannten – durchschnittlich dreißig Prozent des Nutzholzes aus einem Hiebsgebiet im Holzabfall. Obwohl sie im Wald aufgewachsen waren, schienen viele Holzfäller an der West Coast verblüfft zu sein, wie schnell ihre Bäume gefallen waren, und das lässt sich einer Art magischem Denken zuschreiben, das in den Wäldern herrschte. Viele Angehörige der Holzindustrie handelten unter der ungeprüften Annahme, sobald der alte Bestand fort sei, stünde die nächste Baumgeneration zur Ernte bereit. Das mag zu Zeiten des Handholzens – oder auch der Dampfmaschine – so gewesen sein, stimmte aber nicht mehr. Inzwischen war die Industrie ungeheuer leistungsfähig geworden, und doch blieb die Mehrzahl der kahl geschlage nen Wälder, nachdem die Holzfäller abgezogen waren, noch immer sich selbst überlassen, um sich aus eigener Kraft zu erneuern.
    Nach einer lokalen Katastrophe wie einem Feuer, einem Sturm oder einem Kahlschlag erneuert sich ein Wald durch einen natürlichen Prozess, den man Waldsukzession nennt. An der Küste folgen die verschiedenen Arten, angefangen bei Beerensträuchern und niedrigem Strauchwerk und über schnell wachsende Erlen bis hin zu schattentoleranten Arten wie Fichte, Cedar und Hemlock einander in einem bestimmten Muster, das Hunderte Jahre brauchen kann, bis es sich ganz entfaltet hat. Auf den Charlottes wurde die doch offenbar vernünftige Praxis, kahl geschlagene Bereiche aktiv wiederzubepflanzen, erst in den 1960ern institu tionalisiert. Was die inländischen Wälder und die Bergforste wie diejenigen um Gold Bridge betrifft, wurde die Aufforstung erst in den 1980ern eingeführt.
    »Nur Mist haben die uns erzählt«, sagte Wesley Pearson, ein Haida-Holzfäller im Ruhestand, über die Holzunter nehmen, für die er in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern gearbeitet hatte. »Die haben gesagt, sobald wir [die Queen Charlottes] abgeholzt hätten, könnten wir gleich wieder von Neuem anfangen. Nun, wir haben sie verdammt viel schneller abgeholzt, als man es für möglich gehalten hätte. Es wurden eine Menge Fehler gemacht. Die Regierung hat die großen Firmen einfach nicht im Auge behalten.«
    Aber Lügen sind leichter zu schlucken, wenn gutes Geld verdient wird, und die Fäller und Rigger wie Pearson ver dienten es. Ein anderer Haida-Holzfäller namens Bill Stevens hätte für die gesamte Holzindustrie sprechen können, als er sagte: »Wenn man einen solchen Job hat, vergisst man eine Zeitlang alles andere.«
    Um sich ein Bild vom Ausmaß der Abholzung zu machen, die im Laufe der vergangenen dreißig Jahre stattgefunden hat, braucht man nur auf die Haida Monarch und die Haida Brave zu schauen. Als sie Mitte der 1970er-Jahre vom Stapel liefen, waren sie die größten Holztransportschiffe der Welt und beide dafür gebaut, die Inseln zu bedienen. Die Monarch (die größere von beiden) kann fast vier Millionen board feet Holz (über zweihundert Lastwagenladungen) auf einmal laden. Wenn eines dieser Schiffe seine Ladung ins Wasserlager in Vancouver kippt, kann das eine drei Meter hohe Welle entstehen lassen.
    MacMillan

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