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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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Konstante für alle, die ihn kannten.
    Wenn der Oktober anbricht, versammeln sich bis heute Mitglieder des Tsiij-git’anee-Clans stromabwärts von der goldenen Fichte, um Lachse zu fangen, die alljährlich den Yakoun River hinaufziehen, um zu laichen und zu sterben. Es gibt allen Grund anzunehmen, dass diese jahreszeitliche Ernte an ungefähr demselben Ort und mit ungefähr denselben Techniken seit Jahrtausenden stattgefunden hat. Es macht fast schwindlig, sich Dutzende – vielleicht Hunderte – von Generationen vorzustellen, die an diesem ewigen Kreislauf des Nahrungserwerbs teilhatten. Heute ließe sich der gesamte Clan der Tsiij git’anee in einer Doppelgarage unterbringen, aber es gab eine Zeit, da kontrollierte der Clan einen bedeutenden Teil der Yakoun-River-Wasser scheide einschließlich der Stelle, an der die goldene Fichte stand.
    Bevor europäische Siedler in den 1860ern auftauchten, waren die Queen Charlotte Islands reines Haida-Territorium, und die Rechte, zu fischen, zu jagen, Beeren zu pflücken sowie die Wasserrechte wurden von dem einen oder anderen Clan gehalten. Unter anderem deswegen gehörten Kriege zwischen den Stämmen und Grenzstreitigkeiten zum täglichen Leben. Das Land, das die Tsiij git’anee beanspruchen, hat ihnen möglicherweise nicht immer gehört, und wer das Eigentumsrecht daran besitzt, steht immer noch infrage. Jedenfalls ist ihre Anwartschaft von einer Tsiij-git’anee-Untergruppe namens Masset Inlet Eagle Clan angefochten worden, aber deren Anspruch hat zurückstehen müssen, denn da wären vorher noch die Haida Nation, die kanadische Regierung und MacMillan Bloedel, Ltd.
    Bis vor Kurzem verfügte MacBlo über größere Holdings in Europa, Südostasien, Südamerika und den Vereinigten Staaten. Zu seinem kanadischen Besitz gehörte eine riesige Pacht in British Columbia namens Tree Farm License ( TFL ) 39, die aus Wald auf dem Festland, auf Vancouver Island und auf den Queen Charlottes bestand. MacMillan verstarb 1976, und 1999 wurde die Gesellschaft von Weyer haeuser übernommen, der weltgrößten Herstellerfirma von Holzprodukten mit Sitz in Tacoma, Washington. Weyerhaeuser hat die Holzindustrie seit gut einem Jahrhundert dominiert und kontrolliert Waldland in der ganzen Welt. Der Anteil von TFL auf den Charlottes heißt Block 6 oder Haida Tree Farm License, er umfasst viele der nördlichen Inseln des Archipels und einen großen Teil des Yakoun Valley einschließlich der goldenen Fichte. Im Jahr 2005 wurde Block 6 wieder an Brascan verkauft.
    Als Hadwin auftauchte, war der größte Teil von Block 6 irgendwann während der vorangegangenen achtzig Jahre dem Erdboden gleichgemacht worden; ganze Inseln waren kahl geschoren, in einigen Fällen aus reiner Bosheit, die Rivalitäten zwischen den Inseln entsprungen war. Die Landschaft ist vielerorts auf alle Zeiten durch die Erdrutsche verschandelt, die schlecht ausgeführte Abholzungen verursacht haben. Das Ausmaß des Holzschlags ist nur wirklich einzuschätzen, wenn man es aus der Luft betrachtet. »Wenn man jetzt über die nördlichen Inseln fliegt und sieht, was sie alles geraubt haben«, sagte die Haida-Künstlerin Hazel Simeon, »ist man noch tagelang danach sprachlos.« Als Resultat all dieser Aktivitäten war die goldene Fichte eine der wenigen ausgewachsenen Sitka-Fichten, die noch am nördlichen Ende des Yakoun River standen, und als solche war sie zu einer noch größeren Anomalie geworden als ohnehin schon. Die meisten anderen überlebenden Bäume einschließlich einiger großer Cedars und Hem lock-Tannen scharten sich um sie. Zusammen bildeten sie eine winzige Insel altbestehenden Waldes in dem, was im Grunde ein riesiger Kahlschlag in diversen Erholungsphasen war.
    In den späten 1960ern begann MacMillan Bloedel damit, kleine Waldstücke, die als besonders schön oder ökologisch sensibel galten, zu erhalten. Diese sogenannten set-asides waren im Allgemeinen winzig klein, umfassten selten mehr als drei oder vier Hektar – in keiner Hinsicht auch nur annähernd groß genug, um eine bedeutsame Schutzfunktion für das Ökosystem zu haben. Ihr Hauptzweck war es, als Erholungsgebiet zu dienen, und dann war da noch die symbolische Absicht – die knappste aller Verbeugungen vor den großen Wäldern, die einst dort gestanden hatten. Ein Problem für diese Westentaschenwäldchen besteht darin, dass sie ohne den Schutz anderer großer Bäume oft als Windbruch enden (d. h. umgeweht werden). Noch heute sind diese kleinen

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