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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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auf seine Arbeit«, erinnerte sich McAfee. »Er war einer der besten Wegeplaner, die ich kennengelernt habe.«
    Kurz vor seinem fünfundvierzigsten Geburtstag im September belegte Hadwin den zweiten Platz in einem Geländelauf, dem ultra run über fünfzig Kilometer. Als sein Gerichtstermin anstand, bot man ihm einen Vergleich an: Er erklärte sich eines tätlichen Angriffs für schuldig und bekam ein Jahr auf Bewährung. Während dieser Zeit gelang es ihm, das Sorgerecht für seine beiden ältesten Kinder zurückzugewinnen. Er besuchte mit den beiden Teenagern das Waldgebiet Cathedral Grove auf Vancouver Island, wo sie sich vor riesigen Cedars fotografieren ließen. Während dieser Zeit hatte Grant Clark, Hadwins ehemaliger Forstaufseher, eine gruselige Begegnung. »Ich traf ihn so ungefähr 1995 in der Stadt«, erinnerte sich Clark. »Er sah hohläugig aus und schien durch mich hindurchzusehen. Er wusste nicht, wer ich war. Es war unheimlich, dass ein so verdammt begabter Mann so tief gesunken war.«
    Inzwischen hatte Hadwin bereits eine mindestens sieben Jahre lange neurochemische Achterbahnfahrt hinter sich. Dennoch gelang es ihm, die Bewährungsauflagen einzuhalten, obwohl es eine enorme Belastung für ihn war, an so kurzer Leine gehalten zu werden. Ähnlich wie viele Männer, die das Gefühl haben, dass man ihnen Freiheit und Lebenssinn verweigert hat, hielt Hadwin Ausschau nach anderen Wegen, seine Fähigkeiten zu offenbaren und mit ihnen Eindruck zu machen. Er hielt sich auf dem Laufen den, was lokale und internationale Nachrichten betraf, engagierte sich zunehmend in Umweltfragen und nahm Anteil an den Problemen der Ureinwohner, zwei heiklen und strittigen Themen in British Columbia. Während einer bewaffneten Konfrontation zwischen Aktivisten von First Nations und der Royal Canadian Mountain Police ( RCMP ), zu der es im Sommer 1995 am Gustafsen Lake kam, hundertfünfzig Kilometer nördlich von Kamloops, ging Hadwin so weit, anzureisen und sich als Unterhändler anzubieten. Es überrascht kaum, dass sein Angebot abgelehnt wurde. Das sogenannte Gustafsen Lake Standoff, im Laufe dessen zwei Beamten der RCMP in den Rücken geschossen wurde, gehörte zu der Reihe von Scharmützeln, zu denen es damals überall im Land kam, und wurde in landesweiten Nachrichtensendungen ausführlich behandelt. Die Pattsitua tion, die nach drei Wochen mit einer Kapitulation endete, beeindruckte Hadwin tief, und er schickte Dutzende Faxe und eingeschriebene Briefe an »Native«-Gruppen, Politiker und die Medien. An CNN schrieb er:
    Sie scheinen sich auf Bosnien und O. J. Simpson zu konzentrieren. Ihr Problem in Bezug auf Ureinwohner entspricht dem unseren, und doch ist Berichterstattung bei Ihnen so gut wie nicht vorhanden … Sie würden offenbar alles tun, um die Aufmerksamkeit von den wahren Problemen abzulenken, was Sie und Ihre professionellen Institutionen unglaubwürdig macht.
    Hadwins Briefkampagne gewann immer mehr an Intensität, und in dieser Flut findet sich ein Schreiben, das seinen wohl letzten Versuch enthält, eine sinnvolle Arbeit zu finden. Am 12. Januar 1996 schickte er als Antwort auf eine Anzeige, in der ein Koordinator für ein Aufforstungsprojekt gesucht wurde, seine immer noch beeindruckende Vita und dazu den folgenden Begleitbrief:
    Ich mag keine Kahlschläge, und meine philosophischen Differenzen mit der Forstindustrie sind tief verwurzelt. Sollten Sie bereit sein, einen »sanfteren Ansatz« in der Forstwirtschaft zu versuchen, bei dem es weniger um »kurzfristigen Profit« geht, kann ich vielleicht behilflich sein. Mit neuen Schlagwörtern wie zum Beispiel »Aufforstung« bin ich nicht vertraut. Die gesamte Forstwirtschaft und die meisten Wälder scheinen in der einen oder anderen Hinsicht einer Erneuerung zu bedürfen.
    Hadwin bekam den Job nicht. Sein einziger Trost, so schien es, sollte eine Frau namens Cora Gray werden. Eine von Hadwins Nachbarn in dem Apartmentgebäude, in dem er wohnte, war Matilda Wale, eine Älteste vom Stamm der Gitxsan, deren Heimat an Tsimshian grenzt, ein Territorium direkt östlich der Queen Charlottes. Die Gitxsan waren Inländer, und daher blieben sie viel länger als die Küstenstämme von Europäern isoliert. Noch in den 1920ern galt es für Regierungsbeamte als gefährlich, dorthin zu reisen. Hadwin kümmerte sich um »Tilly« Wale, half ihr, wenn es nötig war und kaufte gelegentlich Lebensmittel für sie ein. Im Juli 1996 kam Tilly Wales Halbschwester Cora Gray auf dem

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