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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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um die Küstenwälder, sie etablierten ihn auch als die Stätte der frühesten – und größten – Siege der Waldschützer. Die Schaffung des Gwaii Haanas National Park Reserve im Jahr 1987 bewahrte das südliche Drittel des Archipels vor Abholzung, führte aber auch zum Verlust von hundert Arbeitsplätzen im Forst sektor. Was dieses letzte Ereignis auszeichnete, war die Tatsache, dass der Konflikt »offshore« ausgetragen wurde. Es war das erste Mal seit fast hundertfünfzig Jahren, dass die Haida ein fremdes Schiff angegriffen hatten.
    Nachdem sie ihr Anliegen deutlich gemacht hatten, ließen sie die Haida Brave am folgenden Tag auslaufen, aber Greenpeace setzte dem Frachter auf dem Weg nach Süden weiterhin zu, und dicht bei Vancouver enterten einige Aktivisten das Schiff und ketteten sich an Stämme und Ladekräne. Die Inseln sind nur ein kleines Gebiet, aber die Aktionen der Haida und von Greenpeace erregten großes Aufsehen. Noch sechs Wochen später wurde in den Zeitungen von British Columbia ständig über die Greenpeace-Aktion und ihre juristischen Auswirkungen berichtet. Höchstwahrschein lich hat Hadwin diese Berichterstattung verfolgt, wie er sich ja auch mit der Konfrontation am Gustafsen Lake beschäftigt hatte.
    Hadwin war zu Hause in Kamloops gewesen, als er sich entschied, zu den Inseln aufzubrechen, und weil Hazelton, Cora Grays Heimatstadt, auf dem Weg lag, nahm er Matilda Wale und ihren Freund mit, um sie zu besuchen. In Hazelton lud Grant dann Cora zusammen mit deren Schwester Martha und ihrem Mann ein, auf die Inseln mitzukommen, und bezahlte ihnen auch die Reise. Sie müssen eine eigentümliche Reisegesellschaft abgeben haben: Fünf Stammesälteste und Grant, immer noch muskelbepackt und immer noch auf der Suche nach einer Aufgabe, die seinen Prinzipien entsprach und seinem physischen Durchhaltevermögen angemessen war.
    Hadwin und sein Gefolge verbrachten eine Woche auf den Inseln, und während dieser Zeit besuchte er die goldene Fichte. Der Standort des Baums hätte verheißender nicht sein können: Im Laufe der Jahre war er von einem Labyrinth aus Abfuhrstraßen umzingelt worden, die in Juskatla endeten, der Basis moderner Holzgewinnung auf Haida Gwaii. Nur einige Kilometer westlich der goldenen Fichte gelegen, ist Juskatla ein kaltes und trostloses Paral leluniversum aus durchwühlter Erde, Schwermaschinen und Dutzenden weißer Pick-ups – dem offiziellen Fahrzeug der Holzindustrie.
    Ausrüstungsgegenstände werden dort in einer gewaltigen Halle gelagert und repariert, und geländegängige Langholzlaster fahren mit konstanter Regelmäßigkeit ein und aus. An einem typischen Tag verkündete ein Schild 9 TAGE OHNE VERLETZUNGEN . In der Nähe liegt ein Dock mit einem Sortierlager, wo die Frachter beladen werden. Evans Wood Products hatte einen ähnlichen Verladehof im Außenbezirk von Lillooet, und wenn man einen solchen Ort auch nur ein einziges Mal gesehen hat, ist nicht schwer zu verstehen, warum ein Mensch wie Hadwin ihn unter allen Umständen meiden möchte. Die goldene Fichte wuchs gleich weit entfernt von Juskatla und Port Clements, der Pioniersiedlung, die inzwischen zu einem Schlafort für Holzfäller geworden ist. Ungefähr fünfhundertdreißig Men schen leben hier. Das Dorf liegt auf halber Höhe von Graham Island an der östlichen Küste des Masset Inlet, und sein Willkommensschild besteht aus einem entwurzelten Baumstumpf. Sobald Besucher ihn hinter sich gelassen haben, werden sie von einem Kahlschlag begrüßt, der von haufenweise Holzabfall und vor sich hin rostendem Holzfällergerät übersät ist. Und hier ist es so nass, dass jedes Objekt, das einen Schatten werfen kann, zu einer Brutstätte für Algen wird. Wenn er unangetastet bleibt, weicht der grüne Schleim Moosen und Farnen, bis schließlich Keimlinge Wurzeln bilden, und schneller als irgendwo sonst außerhalb der Tropen wird ein verlassener Truck oder das Dach eines Wohnmobils zu einem eigenen Ökosystem. Es ließe sich behaupten, dass die goldene Fichte ihren Erhalt den Holzfällern und Förstern verdankt. Im Laufe der Jahre hatten die Menschen den seltsamen Baum lieb gewonnen. Harry Tingley hatte in den 1930ern mit seinem Vater in seiner Nähe gepicknickt, und er war immer ein Ausflugsziel gewesen, zu dem die Inselbewohner Freunde und Familienangehörige führten, die vom Festland zu Besuch gekommen waren. Für Haida und Anglos gleicherma ßen war der Baum wie ein alter Freund, eine wohlmeinende und beruhigende

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