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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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Hass auf M&B. Manchmal möchte ich denen am liebsten eine Bombe ins Büro werfen.« Um zu erklären, wie er unter diesem Umständen weiterhin in der Holzindustrie arbeiten konnte, sagte er: »Man erlaubt sich nicht nachzudenken – wenn man erst anfängt, genauer hinzusehen, wird man verrückt.«
    Ein junger Haida aus Skidegate fand, was Hadwin getan hatte, sei eine großartige Idee. »Das war der Maskottchen baum von M&B«, sagte er, »aber er war auch nicht besonderer als die Tausende anderen, die gefällt werden.« Früher hatte er als Holzfäller gearbeitet, wenn ein Job zu haben war. Zur Erklärung sagte er: »Man denkt sich: ›Wenn ich es nicht tue, wird’s ein anderer tun.‹« Jeder Vorfahr dieses Mannes, der die Otter wegen ihrer Pelze jagte, hätte sich zu derselben Logik und von exakt denselben Marktgesetzen veranlasst gesehen.
    Hadwin war angeklagt worden, Sachbeschädigung begangen zu haben – Schaden mehr als fünftausend Dollar – und illegal auf Kronland Holz geschlagen zu haben. Normalerweise werden Verbrechen dieser Art mit einer Geld- und/oder relativ milden Gefängnisstrafe geahndet, aber das hier war kein normaler Fall, und sowohl die Behörden der Provinz als auch das Forstministerium waren entschlos sen, sämtliche gesetzlichen Mittel auszuschöpfen. »Man woll te ihn vor Gericht fertigmachen«, gab Blake Walkinshaw, ein Beamter der RCMP aus Masset, zu bedenken. »Die Gerichte in British Columbia urteilen recht lasch – zumindest meiner Meinung nach –, aber ich glaube, in diesem Fall wollten sie ein Exempel statuieren.« Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: »Jemand wie er würde es schwer haben, im Gefängnis zu überleben.«
    Aber es war ein bizarrer Fall. Die Justiz wusste, wie mit Holzwilderern zu verfahren war, die geschützte Urwaldbäume fällten, und es wusste mit Brandstiftern umzugehen, die hoch geschätzte Kulturstätten und historische Lokalitäten in Schutt und Asche legten, aber wie sollte sie jemanden bestrafen, der aus Protest einen einzigartigen und heiligen Baum gefällt hatte, wenn der größte Teil des umgebenden Waldes bereits um des Profits willen abgeholzt worden war? Theoretisch drohten Hadwin Jahre im Gefängnis sowie eine drastische Geldstrafe, aber es gab in Kanada keinen Präzedenzfall, anhand dessen ein lokaler Richter und eine lokale Jury die weit weniger greifbaren Verluste hätten ermessen sollen, die den Haida, den Einwohnern und der Wirtschaft von Port Clements oder auch der Wissenschaft zugefügt worden waren.
    Zumindest gab es tatsächlich einen Präzedenzfall in Texas. Er drehte sich um die berühmte Treaty Oak in der Staatshauptstadt, einen Baum aus einer Gruppe, die man die Council Oaks nannte. Einheimische Komantschen hatten einst ihre Zeremonien in diesem heiligen Hain abgehalten, und unter dem letzten überlebenden Baum hatte Stephen F. Austin, der Staatsgründer, mutmaßlich das erste Grenzabkommen zwischen Ureinwohnern und Siedlern geschlossen. Irgendwann von der Forestry Association Hall of Fame for Trees zum Musterexemplar eines nordamerikanischen Baumes erklärt, war die fünfhundert Jahre alte Eiche 1989 von einem Mann namens Paul Cullen vergiftet worden. Er behauptete, sein Motiv sei unerwiderte Liebe gewesen. Nach ausgiebigen Anstrengungen (finanziert mit einem Blankoscheck von dem milliardenschweren Industriellen Ross Perot) hatte ein Drittel des Baumes gerettet werden können. Cullen wurde wegen eines Kapitalverbrechens angeklagt und zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. In Anbetracht dessen, dass er das erhabene Symbol des »Lone Star«-Staates umzubringen versucht hatte, mögen manche sagen, dass Cullen glimpflich davongekommen sei, und da haben sie gar nicht so unrecht, denn man hatte ernsthaft erwogen, ihn lebenslänglich hinter Gitter zu stecken. Zweifellos waren auch alternative Bestrafungen bedacht worden, ebenso wie bei Grant Hadwin, von dem manche Leute annahmen, dass er sowieso nicht lange genug leben würde, um zu seinem Gerichtstermin zu erscheinen. Sowohl bei den Mounties als auch bei den Angestellten des Forst ministeriums glaubte man, dass die Masset Haida sich selbst um Hadwin kümmern würden. »Um viele Probleme kümmern sich die Einheimischen«, erläuterte Constable Walkinshaw. »Deswegen haben wir hier nur wenig Ärger. Er dürfte durchaus recht gehabt haben [wenn er um sein Leben fürchtete].«
    Ein hochrangiges Mitglied des Clans der Tsiij git’anee wählte seine Worte mit aller Beachtsamkeit, räumte aber

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