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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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    Das Volk der Haida ist betrübt und zornig über die Zerstörung von K’iid K’iyaas, auch bekannt als die »goldene Fichte«, im Yakoun River Valley auf Haida Gwaii. Was man K’iid K’iyaas angetan hat, ist die vorsätzliche Schän dung unseres kulturellen Erbes. Unsere mündlichen Überlieferungen zu K’iid K’iyaas reichen vor die schriftliche Aufzeichnung von Geschichte zurück.
    Wir erklären der Welt, dass die Haida Nation das uneingeschränkte Eigentumsrecht an den Überresten von K’iid K’iyaas beansprucht und es niemandem gestattet ist, sich ihnen zu nähern. Die Haida werden am Ort des Geschehens ihre ureigene, nicht öffentliche Gedenkfeier abhalten, um sich mit dem Verlust auszusöhnen.
    Die Haida erwarten, dass die Gerechtigkeit siegt und man die Person, die für diesen Akt der Zerstörung verantwortlich ist, bestraft. Das Haida-Volk wird alle Einzel heiten des Vorgehens genau beobachten, und wenn ihrer Meinung nach der Gerechtigkeit nicht Genüge getan wird, werden die Haida entsprechend zur Tat schreiten.
    … Wir Haida haben K’iid K’iyaas lange als einen Wächter über das Yakoun Valley angesehen und werden nach seiner Zerstörung die Schutzmaßnahmen für unser Land ausweiten.
    Nachdem er die Inseln verlassen hatte, blieb Hadwin mehrere Tage lang im Moby Dick Inn in Prince Rupert. Dort unterschied er sich von den gewohnten Gästen, wenn auch aus anderen Gründen, als man vermutet hätte. »Es gab einen großen Unterschied zwischen ihm und den Fischern und Tauchern, die zu uns kommen«, erinnerte sich Pat Campbell, der am Empfang arbeitete. »Er wirkte eher wie ein gebildeter Mann, sportlich gekleidet, sauber und gepflegt.«
    Prince Rupert ist buchstäblich die letzte Station. Hier endet der transkontinentale Yellowhead Highway, und von hier geht es zu Lande nicht weiter. Entweder man nimmt den Seeweg oder kehrt zurück, woher man gekommen ist. Die nächstgelegene Stadt liegt hundertdreißig Kilometer entfernt im Inland. Prince Rupert war lange das Zentrum von Kanadas nordpazifischer Fischereiindustrie und geriet in Verruf als Tummelplatz der Schiffsmannschaften, die jedes Mal, wenn sie vollgepumpt mit Speed oder Kokain in die Stadt kamen, die Bars, Restaurants und Motels mit ihren Dollars überschwemmten. Hier gießt es so oft vom Himmel, dass viele Einheimische darauf verzichten, Regenkleidung zu tragen, und wie in den meisten Gemeinden, die vom Fischfang leben, sind auch hier harte Zeiten angebrochen. An diesem Ort besteigt man die Fähren nach Ketchikan und Haida Gwaii, und hier war es auch, wo Hadwin von den Mounties gestellt wurde.
    Sie waren jedoch nicht die Einzigen, die nach ihm Ausschau gehalten hatten. Guujaaw, der zukünftige Präsident des Rates der Haida Nation, hatte ebenfalls ein Wörtchen mit ihm zu reden. Guujaaw, ein Sänger, Schnitzer, Aktivist und Politiker, ist eine der mächtigsten und charismatischsten Persönlichkeiten auf Haida Gwaii – ein Krieger unserer Tage. Er stammt vom legendären Schnitzer, Bootsbauer und Geschichtenerzähler Charles Edenshaw ab und ähnelt im Auftreten einem balinesischen Künstler-Priester, der die angeborene Selbstsicherheit eines Mannes ausstrahlt, der von vornehmer Herkunft ist. Guujaaw schaffte es, Hadwin vor irgendeinem an Abgabetermine gebundenen Journalisten aufzutreiben, und die beiden Männer führten ein Telefongespräch. »Er wirkte ganz und gar nicht wie ein Verrückter«, erinnerte sich Guujaaw. »Er klang ganz normal – weder erregt noch verängstigt oder schuldbewusst –, als hätte er nicht mehr getan, als einen Stein durch eine Fenster scheibe zu werfen. Ich fragte ihn, warum er es getan hatte, und erzählte ihm dann die Geschichte von der goldenen Fichte. Er sagte: ›Das habe ich nicht gewusst.‹ Er machte den Eindruck, es wahrscheinlich nicht getan zu haben, wenn er davon gewusst hätte.«
    Was ihre Philosophie betraf, unterschieden sich die beiden Männer gar nicht so sehr. Guujaaw hatte die Holzindustrie seit zwanzig Jahren bekämpft und konnte daher Hadwins Frustration nachempfinden. »Er hätte ein paar Ma schinen sabotieren sollen. Dafür hätte man ihn respektiert.« Guujaaw verglich Hadwin dann doch nur mit John Lennons Mörder: »Ein kleiner Mann, der sonst nichts hatte.«
    Die Mounties statteten Hadwin einen persönlichen Besuch ab. Nachdem sie ihn festgenommen und Anklage er hoben hatten, wiesen sie ihn an, am 22. April (dem »Tag der Erde«) in Masset vor Gericht zu erscheinen, und entlie ßen

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