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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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gefangen; und wenn überhaupt, sind sie nur durch einige wenige Exemplare aus Neuguinea bekannt.
    Zwar verhindert wechselhaftes Wetter mit tagelangen Regenfällen zunächst weitere Exkursionen. Doch am dritten Tag scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel und Wallace hat das Glück, eines der prächtigsten und größten Insekten der Erde zu fangen – den zu den Ritterfaltern oder Papilioniden gestellten Vogelschwingen-Schmetterling Ornithoptera; mit einer Spannweite, die immerhin einer ausgestreckten Hand entspricht. Dieses zarte Gliedertier wird ihn zu einer fundamental wichtigen Einsicht führen, die während der kommenden Monate auf Aru und den anderen Inseln im Archipel heranreift. Auch darüber wird er wieder einen eigenen klar formulierten Aufsatz schreiben. Diesem folgt, dadurch angeregt, ein zweiter, mit allgemeineren Schlussfolgerungen, den aber in England zu diesem Zeitpunkt kaum jemand in seinem wahren Wert erkennt. Ähnliche Vogelfalter, deren Männchen seidig grün schimmernde Flügel besitzen (die Weibchen sind unscheinbarer braun gefärbt), hat Wallace erstmals 1855 in Sarawak, im Norden der Insel Borneo, fliegen gesehen. Es gelang ihm sogar, diese Vertreter einer neuen Art zu fangen, die er in einer kurzen, prägnanten Arbeit sogleich als Ornithoptera brookiana beschrieb. Und erst vor wenigen Tagen sah er auf der Kai-Insel ebenfalls solche grünschwingigen Ornithoptera; sie flogen indes stets zu hoch, um ihrer habhaft zu werden. Den grün-schwarz gefärbten Schmetterling hier auf Aru hält Wallace zunächst für einen Vertreter der Art poseidon. Mit zwei typischen schwarzen Flecken auf den Hinterflügeln ist sie bisher nur von Neuguinea beschrieben worden. Als er das Tier dann genauer untersucht, erkennt er jedoch, dass ihm offenbar eine für Aru typische Form ins Netz gegangen ist. Denn sein Schmetterling hat drei dieser markanten Flügel-Flecken. Wallace ist überrascht, weiß er doch, dass auch auf anderen Molukken-Inseln ganz ähnlich irisierend grün gefärbte Vogelfalter vorkommen. Bereits der emsige Systematiker Carl von Linné in Schweden hatte ein Jahrhundert zuvor einen Ornithoptera priamus – frei nach der homerschen Sage – benannt, der von der benachbarten Molukken-Insel Ambon stammt. Dank seiner Studien in den Londoner Museumssammlungen weiß Wallace, dass dieser priamus stets vier der typischen Flügelflecken besitzt. Zwei Flügelflecken bei poseidon im Osten, vier bei priamus im Westen und nun drei bei diesem Falter hier auf Aru, der sich damit in seinen äußeren Merkmalen wie seinem örtlichen Vorkommen gleichsam zwischen beide schiebt. Immer häufiger denkt Wallace nun über solche eigenartigen Abänderungen nach. Es ist, als ob die Natur geradezu spielerisch mit jeweils lokalen Formen umgeht und je nach Insel das gleiche Thema und Motiv wie ein begabter, experimentierfreudiger Komponist immer wieder variiert. In nächster Zeit wird Wallace die Frage nicht mehr loslassen, was solche Abwandlungen bis hin zu völlig neuen Arten hervorbringt.
    Noch aber tritt in ihm der einem großen Geheimnis nachspürende Naturforscher zurück; Wallace’ spätere Schilderung seines Vogelfalter-Fangs zeigt ihn vor allem als leidenschaftlichen Naturaliensammler. »Ich zitterte vor Erregung, als ich ihn majestätisch zu mir herabkommen sah, und konnte kaum glauben, dass mir wirklich der Streich gelungen, bis ich ihn aus dem Netz gezogen hatte und in Bewunderung verloren auf das samtige Schwarz und schillernde Grün seiner Flügel mit achtzehn Zentimeter Spannweite, auf seinen goldenen Körper und seine karmesinrote Brust starrte; wohl hatte ich ähnliche Insekten in Kabinetten meiner Heimat gesehen, aber es ist eine ganz andere Sache, selbst so etwas zu fangen, es zwischen seinen Fingern sich winden zu fühlen und auf seine frische und lebendige Schönheit zu schauen – ein leuchtendes Juwel, das aus dem stillen Dunkel des finsteren und verschlungenen Waldes hervorstrahlt. Das Dorf Dobbo barg an jenem Abend wenigstens einen Zufriedenen!«
    Nicht jeder Tag auf Aru verläuft allerdings für ihn so erfolgreich. Das Wetter bleibt unbeständig, Regenwolken verdunkeln den Himmel, bevor sich wieder schönster Sonnenschein zeigt. Regen und Wind verhindern oft weitere Ausflüge in die Umgebung; nur an vier der ersten sechzehn Tage kann er losziehen. Dennoch wird ihm Aru zum gelobten Land. Wallace fängt weitere Insekten, die in großer Zahl vorkommen. An seinen Handelsagenten, Samuel Stevens, der

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