Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
in London für den Verkauf seiner Naturalien sorgt, schreibt er im März 1857 aus Dobbo. »Beruhigen Sie unsere entomologischen Freunde. Wohl neun Zehntel aller Arten, die ich hier finde, sind neu für englische Sammler.« Stevens sorgt in England dafür, dass Wallace’ wertvolles Sammelmaterial sogleich potente Käufer unter den auf exotische Naturalien Versessenen findet. Für sie vor allem jagt Wallace hinter Ritterfaltern, Schwalbenschwänzen und allerlei Käfern hinterher, von denen er weitere, besonders schöne Exemplare sammeln will. Und wahrlich: diese hier auf Aru seien »truely lovely creatures«, murmelt der Naturaliensammler in ihm.
Sechs Wochen lang sieht Wallace fast täglich Schmetterlinge mit stahlblauen Flügeln, die er als Papilio ulysses erkennt, den begehrten Ulyssesfalter; doch jedes Mal bleibt er ohne Chance, einen von ihnen zu fangen. Auch dieser Schmetterling fliegt zu hoch und zu schnell, sein Flug senkt sich nur hin und wieder einmal tiefer gen Boden herab, bevor er wieder zu den Baumwipfeln aufsteigt. Wallace leidet beinahe körperlich, schon fürchtet er, nie einen von ihnen zu fangen. Auch bei den Käfern fängt er bei Weitem zu wenig, um ihn zufriedenzustellen. Nach zwei Monaten intensiver Suche und des Sammelns hat er fünfzig dieser Krabbeltiere erbeutet; so viele wie in zehn Tagen in Singapur, notiert er einigermaßen frustriert. Oft fängt er zudem nur ein einziges Exemplar von jeder Art; so wie es ihm auch mit anderen Insektengruppen geht. Indes fällt Wallace bei ihnen ein eigenartiger Umstand auf. Bereits während der wenigen Tage auf der Kai-Insel hat er einige hübsche Käfer gesammelt, darunter jenen mit dem zungenbrecherischen Namen, den wohl schönsten, den er bisher überhaupt fand; und so wenig Insekten es auf Kai auch waren, sinniert er nun, die meisten von ihnen waren deutlich andere Arten als hier auf Aru. Zwischen Kai und Aru aber liegen nur sechzig Meilen, die hohen Berge von Kai sind bei klarem Wetter von hier aus zu sehen. »Das veranlasst mich anzunehmen, dass ich auf jeder Insel in diesem Teil des Archipels sehr verschiedene Arten erwarten darf«, schreibt Wallace ahnungsvoll an Samuel Stevens in jenem Brief. Es soll ihm bald ein sehr vertrautes Muster werden – und eine Erkenntnis, die nicht ohne Folgen bleibt.
Vögel wie aus dem Paradies: »Hier bin ich also; ich lebe und bin gesund – und ich arbeite hart!« Zwei Monate sind vergangen, als Wallace dies am 10. März 1857 aus Dobbo an Stevens schreibt. Wir wissen davon, weil dieser die meisten solcher Nachrichten und Briefe unmittelbar nach ihrem Eintreffen in London vor der Königlichen Entomologischen Gesellschaft verliest, die sie kurz darauf in ihren Verhandlungsberichten veröffentlicht. Doch bei allem Sammeleifer, den Wallace an den Tag legt, sind es nicht die Insekten, denen sein eigentliches Interesse gilt. Vor allem unter den Vögeln beobachtet er seltene und wieder nur für Aru oder die australische Region eigene Formen. Dazu zählt der große Palmkakadu Probosciger aterrimus goliath, die später nach ihm benannte Weißkehl-Fruchttaube Ptilinopus wallacei sowie ein großer Buschtruthahn und ein Straußenverwandter, der Kasuar. Diesen sonst nur in Neuguinea und Australien vorkommenden Tieren begegnet Wallace erstmals, als er Anfang Februar an einem schönen ruhigen Tag von Dobbo zur Insel Wokan übersetzt, die Teil der »tanna besar« genannten Hauptinsel ist, um dort zu jagen und zu sammeln. Hier überrascht ihn auch der Anblick einiger der schönsten Palmen, die sonst in diesem Landstrich nicht eben häufig sind; ebenso wie dank eines Stammes hoch aufwachsende Baumfarne, die er zum ersten Mal sieht. »Nichts in der tropischen Vegetation ist so vollkommen schön«, schwärmt er später in seinem Reisebericht. Auf Wokan schießen seine Gehilfen fünf Arten von Vögeln, darunter einen hübschen Fliegenschnäpper, den Goldmonarch Monarcha chrysomela, »von brillant schwarzen und glänzend orangenen Farben, der von einigen Schriftstellern als der schönste aller Fliegenfänger angesehen wird«. Ebenso wie eine zweite Schnäpper-Art war dieser bis dahin nur von der Nordküste Neuguineas bekannt.
Der Abstecher nach Wokan bestätigt Wallace darin, dass er in das tierreiche Innere Arus vordringen muss, wenn er weitere und neue Arten finden will. Doch erst nach wochenlanger Verzögerung und nur dank nicht geringer Überredungskünste gelingt es ihm, Bootsleute und Führer anzuheuern, die sich mit ihm auf
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