Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
Vom Netzwerk:
Brooks der Umstand, dass Darwin selbst bekundet, er habe Wallace’ Aufsatz erst Mitte Juni 1858 erhalten und noch am gleichen Tag (ebenjenem 18. Juni) an Lyell weitergeleitet. So steht es seitdem auch in den meisten Biographien, Büchern und Porträts. Doch stimmt das?
    Darwins Brief vom 18. Juni: Darwins Schreiben an Charles Lyell, mit dem er diesem vom Erhalt des Manuskripts von Wallace am selben Tag berichtet, ist glücklicherweise im Original erhalten. Der Brief befindet sich heute in der Library of the American Philosophical Society in Philadelphia. Von Darwins eigener Hand verzeichnet er als Datum nur »Down 18 th «. Francis Darwin, der später erstmals die Korrespondenz seines Vaters in Auszügen veröffentlicht, hat nachträglich in Klammern »June 1858« hinzufügt – und damit erheblich zur Legendenbildung beigetragen. Offenbar im besten Glauben, denn auf den von Darwin mit Tinte verfassten Briefen findet sich ein weiterer Bleistiftzusatz mit Monats- und Jahresangaben. Brooks hat dieses Darwin-Dokument eingehend untersucht und vermutet nun, dass die Bleistiftergänzung erst vorgenommen wurde, nachdem dieser Brief in Lyells Hände gelangte. Allein der Umstand jedoch, dass jemand in Lyells Nähe den Empfang des Briefes mit Juni 1858 quittiert, bedeutet nicht zwangsläufig, dass Darwin besagten Brief auch tatsächlich im Juni geschrieben hat. Könnte er nicht bereits früher verfasst, aber erst an jenem Tag abgeschickt worden sein?
    Zur Schlüsselfrage, deren Beantwortung Charles Darwin zum Schurken stempeln könnte, wie viele befürchten, wird deshalb, wie lange Wallace’ Brief und Manuskript tatsächlich unterwegs waren, nachdem der Postdampfer Ternate am 9. März 1858 verließ. Wie wir bereits gesehen haben, zeigen die akribischen Recherchen von Brooks und Roy Davies, dass Postsendungen im Schnitt zehn bis zwölf Wochen nach England brauchen. Wie gut die Schiffs- und Postverbindungen um die halbe Welt bereits damals funktionierten, lässt sich am Beispiel eines Manuskripts sehen, das Wallace unmittelbar nach seiner Rückkehr von den Aru-Inseln im Juli 1857 schrieb. Von Makassar auf Celebes mit dem Postdampfer nach London abgeschickt, kam es dort immerhin so rechtzeitig an, dass es sogar noch in der Dezemberausgabe desselben Jahres in einer bekannten Zeitschrift erscheinen konnte. Bedenkt man auch die Druckvorbereitung (für die wenigstens ein Monat zu rechnen ist), kann das Manuskript kaum länger als jene zehn oder zwölf Wochen unterwegs gewesen sein. Und auf einen früheren Brief, den Wallace im September 1857 aus dem Malayischen Archipel an Darwin schickte, antwortete dieser bereits im Dezember desselben Jahres, ebenfalls nicht einmal drei Monate später. Das wichtigste Indiz aber ist jener Brief an Frederick Bates in Leicester, den Bruder seines alten Freundes Henry Bates, der Ternate Anfang März 1858 mit demselben Postdampfer verlässt, mit dem Wallace auch sein Manuskript an Darwin schickt. Der Bates-Brief, der samt Umschlag und Stempel erhalten ist, wie wir bereits gesehen haben, hat England nachweislich bereits am 3. Juni 1858 erreicht, also zwei Wochen vor dem vermeintlichen 18. Juni, an dem Darwin an Lyell schreibt.
    Bei dem Versuch, Darwin zu verteidigen, haben viele belesene Experten wie etwa David Kohn und andere in langen Exegesen geistige Klimmzüge unternommen (von denen wir gleich noch einige anschauen müssen), um die Rekonstruktion der Postlaufzeit von Wallace’ Manuskript zu konterkarieren. Sie haben versucht, damit zugleich auch jene Absende- und Ankunftsdaten infrage zu stellen, ungeachtet der Tatsache, dass ein anderer Brief (ebenjener an Bates) zur gleichen Zeit und mit dem gleichen Schiff abgeschickt wurde und bereits Anfang Juni 1858 in England war. Was dabei allerdings stets übersehen wurde, ist, dass es gar keine Alternative zu der Postsendung am 9. März und der Ankunft Anfang Juni gibt, wie die minutiöse Recherche der Schiffsverbindungen im und vom Archipel belegt. Denn angenommen, Wallace hätte sein Manuskript erst mit dem nächsten Postdampfer abgeschickt, der einen Monat später aus Ternate geht, die Post also statt am 9. März auf der »Ambon« erst am 5. April auf der »Makassar« befördern lassen, dann wäre diese nachweislich erst am 2. Juli 1858 in England eingetroffen – also einen Tag nach jener denkwürdigen Vorstellung von Wallace’ Manuskript. Der Grund für diese späte Ankunft, so hat Roy Davies unlängst herausgefunden, ist eine ungewöhnliche

Weitere Kostenlose Bücher