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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Farben, die Vielfalt und Vielzahl an Arten, die dort zu sehen sind – und von denen man noch so viel mehr unbekannte Arten in den Tropen vermutet. Wallace habe damals angeregt, erinnert sich Bates später, sie sollten gemeinsam an den Amazonas reisen, nicht nur »um an dessen Ufern die Naturgeschichte zu studieren, Naturobjekte zu sammeln und durch den Verkauf der Dubletten in London die Kosten wieder hereinzubringen; sondern auch, um ›der Lösung der Artenfrage näher zu kommen‹, jener Frage, über die wir uns viel unterhalten und korrespondiert haben«.
    Dass Wallace den mächtigen Strom des Amazonas vorschlägt, ist dabei keineswegs zufällig. Gerade erst war die »Voyage Up the River Amazon« des amerikanischen Reisenden William Henry Edwards erschienen. Der beschreibt darin, wie reich und vielfältig der tropische Regenwald ist, wie freundlich die Menschen dort sind. Die Lektüre seines Berichts gibt dem lange gehegten Wunsch von Wallace, selbst zu reisen, das konkrete Ziel und den beiden Naturaliensammlern die Region ihrer Wahl. Wallace ist jetzt vierundzwanzig. Drei Jahre zuvor hat ihn Bates in Leicester erstmals in die Käferwelt eingeführt; ein Jahr später werden sie im brasilianischen Regenwald sein, ein Jahrzehnt, bevor Wallace am anderen Ende der Welt seine entscheidende Idee zur Artenfrage hat. Dass sie beide bereits frühe Evolutionisten sind, Wallace mehr noch als Bates, wird erst dort Früchte tragen. Doch bereits als sie zum Amazonas aufbrechen, hat Wallace ein klares Ziel und ein regelrechtes, selbst gestecktes Forschungsprogramm – er will Belege finden, mit deren Hilfe sich andere von der Evolution würden überzeugen lassen. Vor allem aber haben beide dann einen gangbaren Weg gefunden, wie sich nicht nur die Mittel für ihre Amazonas-Reise würden aufbringen lassen, sondern wie sich ihr Abenteuer auch nachhaltig finanziell auszahlen könnte. Ihre Idee: vom Verkauf exotischer Arten an Museumssammlungen, Naturforscher und Privatsammler zu leben.
    Tatsächlich haben Museen und vor allem private Kabinette von Mitgliedern der viktorianischen Oberschicht damals großes Verlangen nach neuen, exotischen Kreaturen aus den vielen, noch unerforschten Regionen der Welt. Seit Langem schon sammeln die Reichen und Adligen bis hin zu Fürsten und Königen begeistert allerlei Naturobjekte. Doch in den 1830er- und 1840er-Jahren wird die Naturkunde vor allem in England nicht nur gesellschaftsfähig, sondern zur beliebten Mode und geachteten Beschäftigung breiter Schichten. Und dies mit der Billigung und sogar Unterstützung der Anglikanischen Kirche, die – durch naturtheologische Thesen bestärkt – das Walten eines höheren Gottes in allem, was da kreucht und fleucht, zu sehen gewillt ist. Naturforschende Gesellschaften blühen überall in Europa und später in den Kolonien in Übersee auf; sie sind offen für jedermann mit hinreichendem Interesse und weniger elitär als die alten Gründungen der Royal oder Linnean Society in London. Die Berichte über abenteuerliche Reisen entwickeln sich zu einem eigenen Genre, das regen Zuspruch beim Publikum findet und mit dem Verleger gutes Geld machen. All dies geschieht noch weitgehend ohne staatliche Unterstützung, als eine Bewegung gebildeter Bürger. Und während noch von der Regierung beauftragte Kommissionen darüber debattieren, wie anatomische, paläontologische, botanische und zoologische Sammlungen an den Museen in Britannien zukünftig ausgestattet werden sollen, füllen reisende Naturforscher und naturforschende Reisende die Bestände privater Sammlungen mit einem immer schneller anschwellenden Strom exotischer Arten. Gefragt sind neben Vögeln und Säugern vor allem Schmetterlinge, Käfer und Konchylien (wie die Schalen von Schnecken und Muscheln damals noch heißen); je prächtiger und seltener, desto besser.
    Genau hier erkennen Wallace und Bates ihren Markt. Statt in England weiterhin ihrer nicht mit letzter Leidenschaft betriebenen Arbeit nachzugehen und nur hier Käfer zu jagen, wollen sie in die Tropen reisen, um dort die – so ihre Vorstellung – in schier endloser Zahl vorkommenden Insekten- und Vogelarten für zahlende private Sammler und Museen zu suchen. Dass sich von dem Verkauf tatsächlich mehr als nur leben lässt, weiß einer besser als alle anderen: Samuel Stevens, der als Naturalienhändler und selbst enthusiastischer Sammler ein renommiertes Geschäft in der Londoner Bloomsbury Street unterhält; gemeinsam mit seinem Bruder John

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