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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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anritzen und dessen Blut sie aufsaugen können. Einmal setzt sich einer dieser Schmarotzer nur daumenbreit neben Wallace’ Halsvene fest. Und was macht der wahre Naturforscher? Wallace unterdrückt seinen Ekel über den an ihm saugenden Egel und bewundert diesen, der »herrlich gezeichnet mit Streifen strahlenden Gelbs« sei. Bei einem steilen Aufstieg zum Gipfel entdeckt Wallace erstmals Kannenpflanzen (Nepenthes); und als ihnen oben angekommen das Wasser ausgeht, trinken sie aus diesen Pflanzen. In ihren trichterförmigen Blattspreiten sammeln diese nicht nur Wasser, sondern auch Insekten. Die Brühe sieht entsprechend unappetitlich aus, was Wallace nicht abhält. »Als wir das Wasser daraus tranken, schmeckte es recht gut«; allerdings sei es warm, setzt er hinzu; Wallace ist nie zufrieden.
    Über seine Wanderungen im fernen Ostasien ist die Fachwelt in England und anderswo in den kommenden Jahren stets gut informiert. Er macht es sich zur Gewohnheit, ganze Briefe oder markierte Passagen an Stevens, aber auch andere Freunde und Kollegen zu schicken mit der Bitte, diese insbesondere in den entomologischen, aber auch allgemein zoologischen Fachjournalen abdrucken zu lassen. So liefert er eine Art Vorab-Reportage seiner Reise. Wallace berichtet zudem, wie verabredet, von der Malayischen Halbinsel aus auch an die Royal Geographical Society in London. Wenn diese also gleichsam das Reisebüro des Empire ist, dann ist Wallace einer der ersten Reiseberichterstatter. Allerdings stößt Wallace’ erster Report dort offenbar auf wenig Wohlwollen. Er sei zu kurz, so schlicht das Urteil; bis heute liegt er unveröffentlicht in den Archiven. Auch sei, so bemerkt einer seiner Biographen, Wallace in den ersten Briefen mit seinem Urteil insbesondere über die Einheimischen noch nicht der, den wir später kennenlernen werden. Die Reise durch den Archipel wird ihn verändern.
    Unlängst hat ein anderer Biograph, Charles Smith, herausgefunden, dass Wallace’ Talent als Autor erst allmählich die rechte Betätigung findet. Am Beginn seiner Reise erledigt er recht gezielt Auftragsarbeit. Wallace, so können wir sagen, arbeitet anfangs als Reisejournalist. Er übt sich dabei in einem leichten, erzählerischen Ton und entpuppt sich durchaus als fähiger Autor. Als er am Ende seines Lebens seine Autobiographie verfasst, wird ein Kritiker ihn für seinen eleganten Stil loben. Wallace’ schreibe niemals dröge, bei ihm seien sogar Tabellen und Diagramme noch »as entertaining as they are valuably instructive«. In seinem Fall stimmt wohl, dass Übung den Meister macht. Was wir bisher nicht wussten: dass Wallace offenbar regelrecht und formal als reisender Reporter angestellt ist; und zwar bereits, als er in Singapur ankommt. Tatsächlich hat Charles Smith eine Serie von Artikeln in den Archiven entdeckt, die Wallace – bisher unerkannt, weil nicht sämtlich namentlich gekennzeichnet – seinerzeit für einige britische Magazine verfasst hat. So schreibt er etwa für die in London erscheinende »Literary Gazette« gleich mehrere Berichte, als Teil einer geplanten Serie, in der der Verfasser angekündigt wird »as an explorer of scenery, an observer of life and manners, and an enthusiastic naturalist«. Wer außer Wallace sollte es sein, der dort in zwei Artikeln über Singapur und die Umgebung berichtet? Später folgt im selben Magazin ein Bericht über einen Ausflug zum Mount Ophir. Herausgegeben wird die »Gazette« von dem in London ansässigen britischen Verleger Lovell Reeve; von ihm wurde auch Wallace’ Buch über die Amazonas-Reise verlegt, das durchaus positive Aufnahme fand – und ihn hinreichend qualifiziert auch für die Berichterstattung aus Asien erscheinen lässt. Wallace verfasst anonym auch mehrere Berichte für »Chamber’s Journal« in Edinburgh, wie Charles Smith rekonstruiert hat, der indes über die Gründe für Wallace’ Schreiben nur spekulieren kann. Möglicherweise war es nur ein bequemer Weg, um selbst an die Magazine zu kommen, dafür aber das Geld zu sparen? Sicher ging es Wallace auch insofern ums Geld, als Extraeinnahmen für die Reiseberichte nicht schaden konnten. Wallace weiß anfangs tatsächlich weder, wie lange er unterwegs sein würde, noch, wie sich seine Sammlungen verkaufen werden. Seine kurze Reporterkarriere findet ihr Ende, als sich besagte Journale den feinen Künsten statt der Reisereportage und Naturkunde zuwenden (welch bekannte Wendung schon damals!). Oder aber Wallace brauchte das

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