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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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der Sohn eines Tischlers, der für seine Schwester Fanny einige Arbeiten ausgeführt hat. Wallace heuert Charles offenbar kurz entschlossen, mit der Zustimmung der Eltern, für die Reise nach Asien an, wo Charles nun das Sammeln lernen soll.
    Tatsächlich begreift er schnell, wie man Tiere schießt und fängt, doch nicht recht, wie man sie adäquat präpariert. In dieser Hinsicht ist Wallace Perfektionist, mit klaren Vorstellungen, wie die Dinge zu geschehen haben, mit großem Anspruch an sich selbst und an andere. Nach einigen frustrierenden Versuchen überlässt Wallace seinem Gehilfen allenfalls die Fliegen und Hautflügler, die delikateren Käfer präpariert er lieber selbst. Auch was die Vögel und Schmetterlinge angeht, ist er nie ganz glücklich mit Charles. Nach dem wenigen zu urteilen, was wir wissen, ist Allen offenbar weder ein außerordentlich guter Sammler noch mag Wallace ihn. In Briefen an seine Familie äußert sich dieser oft frustiert über seinen wenig umsichtigen Mitarbeiter, der ihn selbst nach einem gemeinsamen Jahr im Gelände noch in die Verzweiflung treibt. Wir kennen einen Brief Wallace’ an seine Schwester mit der Bitte, dass sie sich zu Hause um einen Ersatz bemühen möge. Der Brief zeigt uns zugleich, was ein Forschungsreisender am Ende der Welt vor anderthalb Jahrhunderten können musste. Er suche »keinen netten jungen Mann«, so schreibt Wallace an Fanny. »Ich wüsste lieber, ob er auch mal eine Woche lang von Reis und Salzfleisch leben kann.« Und offenbar eine besondere Qualifikation: »Kann er auf einem Brett schlafen? Kann er 20 Meilen am Tag laufen? Kann er arbeiten, denn Sammeln ist manchmal echte Knochenarbeit? Kann er ein Stück Holz gerade durchsägen? Bitte ihn, dir irgendetwas zu basteln, eine kleine Schachtel aus Karton, einen Holzpflock oder einen Flaschenstöpsel, und dann sieh’ dir genau an, ob er so etwas richtig gut machen kann.«
    Offenbar kann Wallace all dies weit besser als Allen. Da sein Helfer sich nicht so entwickelt, wie er es gehofft hat, zur souverän agierenden rechten Hand des Forschers nämlich, ist Wallace nicht traurig, als sie sich nach anderthalb Jahren trennen. Nach Wallace’ Reisen auf Borneo bleibt Charles Allen in einer Missionsschule, wo er Lehrer wird. Doch offenbar überlegt er es sich später nochmals anders. Denn er wird uns fünf Jahre später wieder begegnen, wenn er auf den Gewürzinseln als Gehilfe zu Wallace zurückkehrt. Von Ambon aus wird er später sogar allein und unabhängig durch die Inselwelt der Molukken reisen und auch das westliche Neuguinea bereisen. So kommt Allen an Orte, wo er für Wallace sammelt, die dieser selbst nicht besucht. Als Wallace sich schließlich auf den Weg zurück nach England begibt, bleibt der nunmehr Vierundzwanzigjährige in Singapur, heiratet und gründet eine Familie; er stirbt 1892.
    Wissenschaftshistoriker haben sich bemüht, Charles Allens Exkursionen zu rekonstruieren, nicht zuletzt um mehr über die genauen Fundorte und -umstände zu erfahren. In Wallace’ Berichten und Erinnerungen jedoch kommt er allenfalls sporadisch vor. Einmal vermerkt er in seinem Reisebericht, als sein Gehilfe auf einer abgelegenen Molukken-Insel weilt: »Ihm gehen die Insekten-Nadeln aus. Er war zudem krank« – kein Zweifel also, wo Wallace’ Prioritäten liegen. Obgleich Charles Allen eine durchaus nicht unerhebliche Rolle für den Sammelerfolg Wallace’ spielt, hat der ihn unzureichend gewürdigt; wie übrigens auch die meisten Biographen, finden einige Historiker wie Donald B. Baker und auch Jane Camerini. Zumindest seit Allen auf Ambon wieder zu Wallace stößt und vor allem dank seiner selbstständigen Sammelreisen im abgelegenen Osten des Archipels sei er ihm kompetente Hilfe und emsiger Sammler gewesen; Grund genug jedenfalls, sich an ihn zu erinnern.
    Über die Jahre hat Wallace noch andere einheimische Helfer, die gelegentlich für ihn sammeln und die er in seinem Reisebericht ebenso gelegentlich erwähnt. Doch einem von ihnen, dem zu dieser Zeit achtzehn Jahre alten Ali, setzt Wallace in seiner Autobiographie geradezu ein Denkmal. Als er Ali und seine Zusammenarbeit mit ihm schildert, ist er voller Dankbarkeit und Lob für seinen »faithful companion«, den »treuen Gefährten beinahe aller meiner Wanderungen in der Inselwelt des Fernen Osten«. Er bildet darin sogar ein Porträt von ihm ab. Ali ist Malaie und Muslim von der Insel Borneo, wo Wallace ihn 1855 in Sarawak als Gehilfen und Faktotum anheuert

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