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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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seiner Ankunft, an Samuel Stevens abschickt, enthält – neben Schmetterlingen und einigen anderen Insekten – vor allem eine reiche Ausbeute an Käfern. Zusammen sind es mehr als eintausend Exemplare von 222 verschiedenen Insektenarten, darunter vierzig bis dahin noch nicht beschriebene. Akribisch hält Wallace von nun an fest, was er an Material nach England schickt. Er hat seine Lektion aus dem Amazonas-Debakel gelernt und legt ein separates kleines Notizbuch an, das ihm als Register für sämtliche Frachtsendungen dient, die er über die Jahre an Stevens nach London auf den Weg bringt; angefangen mit jener ersten aus Singapur im Mai 1854 bis zur letzten Sendung im November 1861 von Java (da ist er bereits auf dem Rückweg). Nichts wird in den dazwischenliegenden siebeneinhalb Jahren verschickt, ohne dass Wallace sorgfältig die Absendedaten der Fracht notiert, die Namen der Schiffe, besondere Instruktionen an Stevens, auch überschlägige Schätzungen, was die gesammelten Stücke beim Verkauf wohl an Erlös erzielen könnten und für wie viel sie später tatsächlich verkauft werden; alles penibel verzeichnet auf mehr als vierzig Notizbuchseiten. Anders als die Briefpost, die den kürzeren und schnelleren Weg über die Landenge zwischen Suez und Alexandria nimmt, geht sämtliche schwere Fracht auf die Reise um das Kap der Guten Hoffnung. Das ist deutlich günstiger, aber dauert mit vier Monaten auch gut einen Monat länger.
    Kurz darauf in Sarawak wird Wallace auch ein Register all seiner Arten anlegen, in dem er vermerkt, wann er welche Tiere sammelt. Dieses Notizbuch oder »Species Registry« beginnt er – praktischerweise – von beiden Seiten. So verzeichnet er vom einen Ende beginnend Vögel und Säugetiere, vom anderen Ende her trägt er die Insekten ein. In Borneo klebt er sogar die Flügel von Käfern auf den Buchseiten ein und zeichnet ihre Kopf-Fortsätze dazu; eine praktische Hilfe, um einzelne Arten besser vergleichen zu können. Unter Wallace’ Notizbüchern, die heute übrigens in den Archiven der Linnean Society und am Natural History Museum in London erhalten sind, findet sich auch ein ganz besonderes – das sogenannte »Species Notebook«. Wallace legt es, dem ersten Eintrag nach zu urteilen, im März 1855 auf Borneo an. Bisher war es nur einigen Wissenschaftshistorikern überhaupt bekannt, wurde aber kaum beachtet. Für uns wird dieses Notizbuch wichtig, enthält es doch Hinweise darauf, dass Wallace sich bereits Mitte des Jahres 1855 mit dem Plan für ein Buch über die Artenfrage trägt – ein Buch, das Wallace nie schreibt und zu dem man von ihm kaum jemals wieder etwas hört; das aber doch eine Rolle spielt, wenn wir die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge rekonstruieren wollen, die zu Wallace’ Entdeckung der Evolutionstheorie führen.
    Ein ganz normaler Tag – Mit Charles Allen und Ali unterwegs: Jeden Tag geht Wallace in den ersten Wochen im Dschungel von Singapur – oder dem, was davon übrig ist – auf die Jagd nach Insekten. »Der Wald hier ist sehr ähnlich dem in Südamerika«, notiert er und bemerkt die zahlreichen Palmen, die kleiner und weniger majestätisch sind als die am Amazonas, dafür aber dornenbewehrt.
    Anfangs notiert er, wie hübsch und zudem häufig hier die Vögel sind – die Trogone (oder Nageschnäbler), die er auch aus Südamerika kennt, zudem Bartvögel, Eisvögel, Honigfresser und Tauben. Er vergleicht sie mit der Vogelwelt Amazoniens, von wo er vielfach ganz andere Arten kennt. Wo dort Kolibris schwirren, sind es hier Nektarvögel. Statt der Tukane sieht er nun Nashornvögel. Vor allem aber notiert er: »Anders als am Amazonas ist das unmittelbar auffälligste Merkmal hier die außerordentliche Armut der Tagfalter.« Und doch werden gerade diese ihm bei seiner Reise durch den Archipel einige seiner schönsten Momente als Naturkundler bescheren.
    Am Amazonas hat sich Wallace geschworen, sollte er je wieder aufbrechen, würde er einen Gehilfen engagieren, der ihm vieles an Arbeit und Routine abnehmen soll. Allein, so weiß er inzwichen, schafft man zu wenig angesichts der Vielfalt an Arten, die es zu fangen und zu präparieren gibt, und der hunderterlei Dinge, die eine naturkundliche Expedition in fernen Gefilden so mit sich bringt. Die Fürsprache von Sir Murchison und die geräumigen P & O-Dampfer haben es möglich gemacht, dass Wallace bereits aus England einen Assistenten mitbringt. Charles Allen, zu diesem Zeitpunkt sechzehn Jahre jung, ist

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