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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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über das Naturgesetz des Artenwandels nie schreibt, hat natürlich mit Charles Darwin zu tun und mit jenen Ereignissen, die indes angesichts vieler Legenden um den jahrelangen Wettlauf der beiden Naturforscher bisher eher vernebelt als erhellt wurden.
    Das sogenannte »Species Notebook« mit seinen immerhin 182 Seiten nimmt unter Wallace’ insgesamt vier Notizbüchern und seinen vier Reisetagebüchern aus dem Archipel – die sich heute in den Archiven der Linnean Society und am Natural History Museum in London befinden – eine besondere Stellung ein. Es ist dort unter dem Kürzel »LinSoc-ms180« inventarisiert und wurde – von einigen kurzen Auszügen in Fachjournalen abgesehen – bislang nie veröffentlicht. Es ist längst an der Zeit, diese Aufzeichnung von Wallace (ähnlich wie im Fall von Darwin) wenigstens online verfügbar zu machen. Wallace selbst bezeichnet sein Arten-Notizbuch nicht als solches. Als er es anlegt, überschreibt er es noch mit »Entomological Notes Sadong River Borneo« – Notizen zu den Insekten am Sadong-Fluss. Aber das hilft uns zugleich, die Zeit seiner Entstehung einzukreisen; denn hier gehen die Ansichten der Wissenschaftshistoriker auseinander, und wir müssen etwas genauer hinsehen.
    »Am 12. März 1855 erreichte ich den Landungsplatz in Semunjon«, lautet der erste Eintrag. Es ist ein Gebiet, so überaus reich an Insekten, wie es Wallace während seiner gesamten Reise durch den westlichen und östlichen Archipel nirgendwo wieder finden wird. Dazu musste er einfach Notizen anlegen, er kann gar nicht anders. Tatsächlich notiert er auf den ersten Seiten des Büchleins seine Beobachtungen über Insekten. Doch dann nutzt er es für entsprechende Aufzeichnungen, als während der nächsten Wochen andere Beobachtungen in den Mittelpunkt seines Interesses rücken; allen voran die zu den berühmten »Waldmenschen« Borneos – den Orang-Utans, denen Wallace hier erstmals begegnet und die ihn sehr beeindrucken. Dass er dieses Notizbuch ebenfalls von beiden Enden her zu beschreiben beginnt und es sich von den äußersten Blättern hin zur Mitte mit Notizen füllt, ist typisch für ihn und uns schon bei jenen Notizbüchern begegnet, in denen Wallace erstmals in Singapur die gesammelten Arten und verfrachteten Naturalien vermerkt. Nur macht es dies nicht einfacher, die Entwicklung seines Denkens zu rekonstruieren.
    Im Arten-Notizbuch finden sich neben kurzen Bemerkungen zu Insekten, zu Vogelskeletten oder zur Nahrung von Nashornvögeln auch Aufzeichnungen über das von Wallace propagierte Naturgesetz des Artenwandels. Wallace entwirft darin nicht weniger als eine Theorie von der Evolution der Lebewesen durch natürliche Gesetze, wie sie auch in der unbelebten Welt gelten – dem Kosmos mit seinen Gestirnen und auf der Erde. »Während sich die anorganische Welt seit ihren frühesten Anfängen als das Ergebnis einer Kette von Veränderungen erwiesen hat, verursacht durch beständig waltende Kräfte, wäre es unphilosophisch ohne wirkliche Belege zu schlußfolgern, dass die mit der unbelebten so innig verbundene organische Welt gänzlich anderen Gesetzen unterworfen sein soll, die zudem nicht mehr wirken, sodass Werden und Vergehen von Arten und Gattungen zu einem späteren Zeitpunkt plötzlich zum Erliegen gekommen ist.« Zugegeben, ein reichlich langer Satz; aber auch ein großartiger Gedanke, den Wallace darin festhält: So dynamisch und veränderlich wie die Erde selbst sind auch die Lebewesen, die sie bevölkern, alles angetrieben durch die Gesetze der Natur. »Der Wandel ist gänzlich allmählich von der ältesten geologischen zur modernsten Epoche; und wir kommen nicht umhin anzunehmen, dass die Erde, wie sie derzeitig ist, samt ihrer Bewohner das natürliche Ergebnis eines ihnen unmittelbar vorausgegangenen Zustandes ist, verändert durch Ursachen, die zu allen Zeiten wirkten und es auch jetzt noch tun.« Noch so ein langer Satz und erneut ein großer Gedanke: Arten entstehen aus vorausgegangenen, ihr Wandel erfolgt graduell über lange Zeiträume.
    Was ist mit Wallace auf Borneo geschehen? Wie kann er, eben erst am äußersten westlichen Ausgangspunkt seiner Reise durch den Archipel angekommen, so scheinbar unvermutet eine epochale Theorie in seinem Notizbuch festhalten? Und warum wissen wir kaum etwas über dieses Notizbuch, warum wurde es bisher nie veröffentlicht? Wichtiger noch: Warum hat Wallace dieses geplante Buch zur Theorie des »organic law« nie veröffentlicht? Wie wir

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