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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Stunden später bin ich Witwer, eine Tochter ist tot, die andere kämpft ums Überleben, und die Ärzte haben nicht allzuviel Hoffnung für sie. Alles hat sich verändert … in so kurzer Zeit … so unfaßbar plötzlich …«
    »Ja«, sagte Jessica, »unfaßbar plötzlich. Das ist es. Unfaßbar. Unwirklich. Wie ein böser Traum.«
    »Ich frage mich, wer so etwas tut. Wer geht hin und schlachtet ein halbes Dutzend Menschen einfach ab? Wer macht das? Wo gibt es denn so etwas?«
    Er starrte sie an. Die fahle Blässe nahm ihm nichts von seinem guten Aussehen, wie sie zu ihrer eigenen Verwunderung registrierte. Von den drei Freunden war er der attraktivste gewesen. Der Mann mit dem charmanten Lächeln, der dunklen Stimme, der Mann, dem überall die Blicke der Frauen folgten. Und jetzt zudem der einzige Überlebende.
    »Ich lag heute auf einer Blumenwiese«, fuhr er unvermittelt fort, »zwischen lauter Schafen, unter einem blauen Himmel, über den hin und wieder eine kleine, zerrupfte Wolke trieb. Ich hatte Herzschmerzen, aber die wurden besser, während ich so lag. Ich malte mir aus, wie es wäre, noch einmal von vorn anzufangen, frei von jeder Belastung. Noch einmal so dazustehen, wie man als junger Mensch dasteht, am Beginn des Lebens, wenn alles offen ist. Ich dachte …«, er stockte, sah sich wohl selbst, wie er da in der Wiese lag und in den Himmel schaute und den beängstigenden Schmerz in seiner Brust abklingen ließ, und erschrak vor den Gedanken, die ihm durch den Kopf gegangen waren, »ich dachte, wenn ich nur die Familie nicht hätte … Patricia und die Kinder mit all ihren Ansprüchen und Erwartungen und den Verpflichtungen, die ich ihnen gegenüber erfüllen muß … verstehst du, ich dachte, wie es wäre, wenn sie auf einmal nicht mehr da wären. Es war ein Gefühl größter Erleichterung,
es war, als bekäme ich lange verlorene Jahre meines Lebens zurück, dürfte noch einmal von vorn anfangen…o Gott, und während ich so dachte, ging jemand hin und tötete sie, und …« Er sah sie voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit an, grau im Gesicht vor Erschöpfung. »Das wollte ich nicht. In meinen schlimmsten Albträumen hätte ich mir so etwas nicht ausmalen können, und ganz gleich, wie sehr das Leben mit Patricia nur noch … Fassade war, niemals hätte ich gewollt, daß sie stirbt. Niemals hätte ich gewollt, daß sie auf so grauenhafte Weise getötet wird. Und die Kinder …« Er brach ab, hilflos in seinem Gefühl der Reue und Schuld. »Ich habe meine Kinder geliebt. Immer. Vom Tag ihrer Geburt an. Ich war nur so überfordert in der letzten Zeit. Ich konnte ihre Wünsche nicht mehr erfüllen, konnte dem Bild nicht mehr entsprechen, das sie von mir hatten. Papi kann alles, macht alles, bringt alles in Ordnung! In Wahrheit steckte Papi bis zum Hals in Schwierigkeiten …«
    »Ich weiß«, sagte Jessica, »Evelin hat mir davon erzählt.«
    Er lächelte bitter. »Ja, wahrscheinlich wußten es alle. Ich hatte Tim gebeten, nichts davon verlauten zu lassen, aber wie kann ich erwarten, daß er seiner Frau nichts erzählt?«
    »Ich weiß nicht, ob es sonst jemand wußte. Ich fand es nur im nachhinein eigenartig, daß Patricia immer so tat, als habe sie nicht die geringsten Probleme. Ich meine, ich war sicher irgendwo immer noch die Neue in eurem Kreis, aber ihr anderen wart jahrelange Freunde. Da kann man doch über solche Dinge sprechen!«
    »Sie war nun mal so. Nie und unter keinen Umständen eine Schwachstelle zeigen. Und sie auch bei anderen nicht tolerieren. Ich habe seit Jahren schlimmste finanzielle Probleme, aber weißt du, wann ich mich traute, meiner Frau davon zu erzählen? Vor drei Tagen! Vor drei Tagen, am Abend des Ostermontags, habe ich all meinen Mut zusammengerafft und Patricia gestanden, daß ich pleite bin, daß in meinem Büro nichts läuft, daß unser Haus bis unters Dach beliehen ist, daß ich meine Kredite nicht
abbezahlen kann, mit den Zinsen im Rückstand bin und mir von Tim fünfzigtausend Euro borgen mußte. Und ich habe es auch nur deshalb fertiggebracht, weil mir absolut kein Ausweg mehr blieb, weil ich nicht einmal mehr die Reitstunden meiner Töchter bezahlen konnte und keine Chance mehr sah, irgend etwas zu vertuschen! Es war einer der schlimmsten Abende meines Lebens.« Er sah sie an, aber mit einem Blick, als schaue er durch sie hindurch, und dann wechselte er abrupt das Thema. »Wenn nur Sophie es schafft! Lieber Himmel, wenn sie es nur schafft!«
    Er stand auf, ging zum

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