Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
Vom Netzwerk:
Seine Eltern, viele Familienmitglieder und er selbst hatten hier gearbeitet, Lehm gestochen, Ziegel geschlagen, die Öfen bestückt und beheizt. Seit seine Verwandten bei Kriegsbeginn aus dem Land gewiesen worden waren, war er nicht mehr hier gewesen.
    Die Salcherische Ziegelei, in der er als Kind gespielt hatte, war längst aufgelassen und zu einem Arbeiterwohnheim verwandelt worden. Einer der Bewohner wies ihm den Weg.
    Der Platz vor dem Verwalterhaus der Lindenfeldschen Ziegelei lag bereits im Schatten. Kajetan hatte zuvor in einigen anderen Ziegeleien noch Betriebsamkeit festgestellt. Diese jedoch wirkte wie ausgestorben. Er erinnerte sich. Um diese Jahreszeit wurden keine Ziegel mehr geschlagen, der Nachtfrost ließ es nicht mehr zu. Die Arbeiter waren entlassen, es wurden nur noch die bereits während der vergangenen Monate in der Luft getrockneten Ziegel gebrannt. Dafür genügten ein Heizer und hin und wieder einige Arbeiter, die die Öfen befüllten und leerten.
    Kajetan marschierte auf das Verwalterhaus zu. Er klopfte an die Türe, wartete eine Weile, klopfte erneut. Nichts rührte sich im Haus. War der Besitzer nicht da? Aber hier stand doch ein Automobil?
    Um sicherzugehen, drückte er die Klinke herunter. Die schwere Tür schwang zurück. Er ging einen Schritt in den Flur.
    »Herr Major?!«
    Er wiederholte seinen Ruf. Irgendwo knarzte eine Bohle.
    Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Bevor er wusste, wie ihm geschah, wurde er am Arm gepackt, mit einem Ruck zur Seite gezogen und in ein Zimmer geschleudert. Schmetternd fiel die Tür ins Schloss. Im gleichen Moment fetzten zwei Schüsse durch die Türkassetten. Ein empörter Aufschrei und ein lauter Knall antwortete ihnen. »Wenn einer in die Nähe der Tür kommt, knallt es!«, brüllte Kull.
    Kajetan lag auf dem Rücken. Benommen starrte er auf Kull, der neben der Tür stand, die Beretta in Brusthöhe. Er warf Kajetan einen zornigen Blick zu und zischte:
    »Habe ich dir nicht gesagt, dass du mir nicht mehr in die Quere kommen sollst, du Arschloch?!«

50.
    Schon als er die Gruftstraße entlangstürmte, hatte der Anwalt gesehen, dass die Fenster seines Büros erleuchtet waren.
    »Sie?« Er schob die Tür hinter sich zu. »Aber ich sagte Ihnen doch …?«
    »Und was ist mit der Strafsache Poschinger gegen Kammerloher?«, sagte Agnes. »Morgen früh läuft die Frist für die Eingabe aus.«
    Herzberg schlug sich mit der Hand auf die Stirn.
    »Herrje!«
    Sie bedachte ihn mit mütterlichem Augenaufschlag und sagte mild tadelnd: »Sehens. Das hab ich mir gedacht.«
    Herzberg lächelte gerührt. Sie wich seinem Blick aus und tippte weiter.
    »Fräulein Agnes … ich …«
    »Ich habs gleich, Herr Doktor. Dann brauchens bloß noch unterschreiben.«
    »Wunderbar.« Der Anwalt legte seinen Hut auf den Kleiderständer und knöpfte seinen Mantel auf. »Wunderbar«, wiederholte er. »Aber lassen Sie jetzt trotzdem alles liegen und stehen und kommen sofort zu mir herein, ja?«
    Sie hörte zu tippen auf. »No? Dass Sies gar so gnädig haben, Herr Doktor?«
    Der Anwalt war noch immer ein wenig außer Atem. »Es gibt gute Neuigkeiten im Fall Rotter. Aber wir müssen sofort handeln, Fräulein Agnes.«
    »Sie haben …?«
    Er reckte die Brust. »Ja. Ich denke, dass ich den wahren Mörder habe. Wie auch die Person, die alles nur deshalb eingefädelt hat, um Rotter vernichten zu können.« Er nickte energisch. »Wir stellen also nicht nur den Antrag auf Wiederaufnahme, sondern erstatten zusätzlich Anzeige gegen die beiden. Damit haben wir gewonnen!«
    Er machte einen Schritt auf die Bürotür zu, drehte sich aber noch einmal um. »Hat sich eigentlich der Herr Kajetan schon gemeldet?«
    Die Sekretärin schüttelt den Kopf. »Heut noch nicht.«
    »Der lässt es aber auch gemütlich angehen«, sagte Herzberg. Er runzelte die Stirn. »Hockt wahrscheinlich schon längst im Gasthaus.«
    »Sinds nicht so streng, Herr Doktor«, sagte Agnes. »Ich glaub, der hats manchmal auch nicht so leicht.«

51.
    »Du treibst mich noch in den Wahnsinn«, sagte Kull gepresst. »Was in Teufels Namen hast du Pfeife hier verloren?« Er gab ein verächtliches Knurren von sich. »Und du hast natürlich wieder mal keinen blassen Schimmer, was hier vor sich geht, stimmts?«
    »Wer sind die da draußen?«, flüsterte Kajetan. Er kauerte im schmalen Winkel des Schrankes, mit dem sie die Tür verbarrikadiert hatten. Kull schlich gebückt heran und hockte sich neben ihn.
    »Eine Sorte Mensch, die dem

Weitere Kostenlose Bücher