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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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linken Schlüsselbeins ein münzgroßes, fransig umrissenes Loch. Kajetan knöpfte den Mantel auf. Jacke und Hemd schimmerten dunkel. Auf dem Boden hatte sich eine Blutlache gebildet.
    »Siehst du?«, murmelte Kull. »Zu irgendwelchen … Turnereien bin ich nicht mehr zu gebrauchen. Dir Feuerschutz zu geben krieg ich aber noch hin. Und jetzt … trödle gefälligst … nicht mehr rum, kapiert?«
    »Das packst du doch nicht mehr!«
    Kull stieß einen gepressten Laut aus. Er hob die Pistole und richtete sie auf Kajetans Stirn. »So?«
    »Du packst das nicht!«, wiederholte Kajetan.
    Die Pistole sank herab. »Hör jetzt mal zu, du elender Sturkopf. Ich … ich hab dir mal geholfen, und jetzt … jetzt revanchierst du dich gefälligst. Mir geht langsam die Puste aus.«
    »Aber …«
    »Verdufte endlich! Ich mach hier … noch ein bisschen Zirkus, um sie abzulenken. Wenn du dann im Dorf bist …«
    »Alarmier ich die Polizei«, zischte Kajetan. »Ich bin kein Depp.«
    »Bist du noch zu retten?«, ächzte Kull. »Doch nicht die Polypen! Wie naiv bist du noch? Die Feuerwehr muss her!« Er hustete. »Erzähl denen was von … Wasserschaden, oder dass der Brennofen dabei ist in die Luft zu gehen, oder … irgendein Märchen. Es muss vor Zivilisten wimmeln, bevor die Grünen kommen, hörst du?«
    »Wieso …?«
    Kull stöhnte. »Tu, was wir besprochen haben. Und wenn du mir auch noch nen Doktor mitbringst, wär ich dir nicht böse. Ich … verlass mich auf dich.« Er machte eine kraftlose Kopfbewegung. »Und jetzt geh endlich auf Position!« Er senkte die Stimme. »Sobald der erste Schuss von draußen fällt und ich weiß, wo er steckt, decke ich ihn ein. Sobald ich loslege, springst du raus und rennst los, verstanden?«
    »Verstanden«, sagte Kajetan. Kull schälte sich aus seinem Mantel, knüllte ihn zu einem Bündel und ging gebückt zum Fenster, wo er sich an die Wand neben die Laibung presste und die Beretta hob. Auch Kajetan war auf allen vieren zum zweiten Fenster gerobbt. Er duckte sich unter die Fensterbank und sah nach oben. Das Fenster hatte einen Knaufverschluss.
    »Bereit«, flüsterte er. »Auf drei?«
    »Auf drei«, gab der kleine Detektiv leise zurück. »Aber … warte noch. Würdste mir noch nen Gefallen tun, Paulchen? Für den Fall, dass … dass die Chose doch ein bisschen blöde ausgeht?«
    Paulchen! »Was denn?« raunte Kajetan gereizt.
    Kull unterdrückte einen gurgelnden Husten. »Sag Bertha, dass… sag ihr … dass ich ein verdammter Feigling bin, und … ich sie schon lang gefragt hätte, wenn ich nicht so viel Schiss davor gehabt hätte, dass … sie mir nen Korb gibt … versprochen?«
    Welche Bertha?, dachte Kajetan.
    Das Hämmern über ihnen hörte plötzlich auf. Ein dumpfes Poltern ließ die Mauern erzittern. Gedämpfte Freudenschreie drangen durch die Decke.
    »Los!«, flüsterte Kull. Er begann leise zu zählen. Bei »Drei« schnellte seine Rechte an den Fensterknauf. Die Fensterflügel prallten scheppernd gegen die Laibung. Sofort duckte Kull sich wieder hinter die Mauer und schwenkte den Mantel durch die Öffnung. Ein Schuss bellte auf und fuhr klockend in das Parkett. »Los, Paulchen!«, schrie Kull, sprang vor und feuerte in rascher Folge auf das gegenüberliegende Fenster. »Nenn mich nicht Paulchen, verdammt noch mal!«, brüllte Kajetan. Er riss das Fenster auf, hechtete hinaus, rollte sich ab und hetzte mit weiten Sprüngen um die Ecke des Hauses. Hinter ihm spritzte Schotter auf. Er duckte sich hinter den Wagen und rannte gebückt vorwärts. Wieder knallten Schüsse, vom Klirren berstender Fensterscheiben begleitet. Sie wurden von einer Serie dumpfer Einschläge in das Mauerwerk des Ofengebäudes beantwortet. Eine Männerstimme brüllte etwas. Dann war es still.
    Der Himmel war klar und sternenübersät. Kajetan hastete an der Rückfront des Brennofens vorbei, als er am Ende des Gebäudes den ersten Verfolger auftauchen sah. Er duckte sich und verharrte einige Sekunden. Der Weg zur Böschung war versperrt. Entfernt wummerten wieder Schüsse auf, gefolgt vom durchdringenden Sirren eines Querschlägers.
    Kajetan schlich vorsichtig rückwärts und lugte in den Durchlass zwischen Maschinenhaus und Ofengebäude. Er hielt den Atem an. Der Bewaffnete bewegte sich zwischen Maschinenhaus und Brennofen in seine Richtung.
    Kajetan presste seinen Rücken an die Wand und schob sich langsam nach oben. Die Schritte kamen näher. Eine Türklinke bohrte sich in Kajetans Rücken. Er tastete danach und

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