Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
Vom Netzwerk:
Gehen.
    Kull warf einen letzten Blick auf die Absturzstelle. Er stutzte. »Augenblick!«, stieß er hervor, machte einige Schritte über die Brandstelle, ging in die Knie und zog einen winzigen Fetzen steifen Papiers aus dem Geröll. Er wusste augenblicklich, dass er den Schnipsel einer Banknote zwischen den Fingern hielt. Zerfetzt, dachte er. Nicht verbrannt.
    Der junge Mann stand bereits am Einstieg des Rückwegs. »Was ist da?«
    »Bloß ein Stück Papier, nichts Bedeutendes.« Kull klopfte sich Krümel feuchter Erde vom Knie. »Wir können gehen.«

7.
    »Tja, so schnell kanns gehen, gell?«, meinte der Hausbesitzer, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte, Kajetan vor sich zu sehen. Sein Bedauern war aufrichtig. »Nach so einem reellen Mieter, wie die Frau Süssmayr einer gewesen ist – Sie, da suchens heutzutag lang. Nie ist mir die Frau Süssmayr den Ladenzins auch bloß einen Tag schuldig geblieben.« Er seufzte tief. »Ein Schlagfluss, hat der Doktor gesagt. Mitten im Laden. Ihr Ziehsohn ist grad bei ihr gewesen. Wollt sie wahrscheinlich wieder um Geld anbetteln, der nichtsnutzige Kerl. Sie haben so laut gestritten, dass wirs bis zu uns rauf in den Dritten gehört haben. Das hat ihr Herz scheints nicht mehr mitgemacht.«
    »Traurig.« Mehr brachte Kajetan nicht heraus.
    »Ja, das ist es. Ich hab zu meiner Wally noch gesagt: Jetzt hat ers endgültig ins Grab gebracht, der Lump, der verkommene.«
    Schon vor der Testamentseröffnung hatte der Erbe das Inventar des Ladens an einen durchtriebenen Schwabinger Antiquar verscherbelt.
    »Der Kerl, dumm wie er war, hat sich einreden lassen, die ganze War wär nichts mehr wert. Und das wenige, was er gekriegt hat, war nach ein paar Wochen auch schon wieder versoffen und verhurt. Wie ich ihm jedenfalls sag, dass er mir den Laden schon auch noch renovieren müsst, hat er mich bloß blöd angezahnt und mir seine leeren Hosensäck gezeigt.« Der Hausbesitzer hob die Schultern. »Tja, und was Ihre alte Wohnung im Hinterhäusl angeht, Herr Kajetan – da dürfens mir jetzt nicht bös sein. Was hätt ich denn anderes tun sollen, als mir eine neue Partei reinzunehmen? Die Leut rennen einem ja die Tür ein, so eine Wohnungsnot, wie wir heutzutag haben.« Kajetan nickte verstehend. Er hatte schon vorher einen Blick in den Hinterhof geworfen und festgestellt, dass seine alte Wohnung vermietet war. Das Geschrei eines Säuglings war zu hören gewesen.
    »Es sind brave Leut mit einem Stall voller Kinder.« Der Hauswirt hob bedauernd die Schultern. »Na, und es hat ja dann auch geheißen, dass Sie gestorben sind. Mietzins ist schließlich auch keiner mehr gekommen. Warum habens denn auch nichts von sich hören lassen? Hätt ich gewusst, dass Sie einen Zeitlang auswärts zu tun haben, hätt ich mich ausgekannt.« Der Alte erriet Kajetans nächste Frage. »Was Ihre Sachen angeht – viel wars eh nimmer, was da noch zum Brauchen gewesen wär, es ist ja dann auch einmal eingebrochen worden und alles aufgerissen und zerdroschen worden.« Kajetan schluckte. »Alles ist weg?«
    Der Hausbesitzer zuckte stumm die Achseln. In seiner Miene war zu lesen: Bitte fragens mich jetzt nicht auch noch, ob ich zufällig eine neue Unterkunft für Sie hab. Bei allem Respekt, guter Mann – aber Mieter, mit denen ich bloß Scherereien hab, können mir gestohlen bleiben.
    Kajetan verabschiedete sich. Auf dem Trottoir vor dem Haus überlegte er. Bis zum Treffen mit Dr. Herzberg, dessen Sekretärin er an diesem Morgen angerufen hatte, blieb ihm noch knapp eine Stunde. Zu wenig, um noch beim Städtischen Wohnungsamt vorbeizuschauen oder sich in seiner Unterkunft ein wenig auszuruhen.
    Er marschierte einige Schritte in Richtung Isar. Doch schon nach wenigen Metern hielt er inne und kehrte wieder zum Haus zurück. Er schob die Tür des Ladens auf, der einmal der Gebrauchtbuchladen der Frau Süssmayr gewesen war. Ein junger Schuster hatte sich mittlerweile dort seine Werkstatt eingerichtet.
    »Die alte Frau könnt was für Sie aufgehoben haben, meinens?«, sagte er. »Wo denn? Ich hab nichts gefunden, wie ich eingezogen bin.«
    Kajetan bat ihn, ihm in die ehemalige Küche zu folgen. Dort tastete er die Wandkachelung ab, bis eine davon zurückschwenkte und eine Nische freigab. Unter dem staunenden Blick des Schusters zog er eine mit Packpapier umwickelte Mappe hervor.
    »Da schau her«, sagte der Schuster. »Ein Geld?«
    Kajetan schüttelte den Kopf. Sie hats getan, dachte er gerührt. Seine

Weitere Kostenlose Bücher