Am Ende des Tages
Bergführer.
»Da siehst doch nichts mehr«, maulte er. »Die Trümmer sind schon in die Stadt gebracht worden.«
Sie erreichten die Absturzstelle. Der Ermittler atmete tief durch, um seinen Puls zu beruhigen. Noch immer dampfte der beizende Geruch verbrannten Treibstoffs aus dem Boden.
»Gehen wir wieder«, sagte Alois unwillig. »Aufs Kienhörndl ist es nimmer weit.«
Halt einfach deine Klappe, dachte Kull. »Nur einen kleinen Moment«, rief er. »Ich will mich nur kurz umgucken, ja? So was sieht man schließlich nicht alle Tage.«
Der junge Mann gab einen gequälten Ton von sich, entfernte sich einige Schritte, setzte sich auf einen Felsblock, ließ den schlaffen Rucksack von seinem Rücken gleiten und entnahm ihm eine abgegriffene Pfeife.
Der Ermittler ließ seinen Blick kreisen. Das Areal war klein, nicht größer als drei-, höchstens vierhundert Quadratmeter. An der höchsten Stelle war vom Wind und Wetter geschliffener, blanker Fels zu erkennen, dazwischen verkohlte Gräser, das Wurzelwerk ausgerissener und geborstener Kiefernstrünke, zerfurchtes, von Stiefelspuren übersätes Erdreich und Geröll, aus dem Metallsplitter blinkten. Kull pulte den Kopf einer abgerissenen Niete aus der aufgeweichten Erde und drehte sie nachdenklich zwischen seinen Fingern.
Er hob den Kopf. Das Hochtal stufte sich im Westen gemächlich in die Talniederung hinab. Nach Osten fiel das Gelände zunächst ebenfalls ab, um über eine Distanz von mehreren Kilometern wieder sachte anzusteigen. Es gab keine Engstelle, das Tal war in beiden Richtungen weit und offen. Womit ausgeschlossen werden konnte, dass sich der Flugzeugführer wegen eines Navigationsfehlers hierher verirrt hatte, in Unkenntnis des Geländes oder schlechter Sicht zu tief flog und die Maschine nicht mehr rechtzeitig hatte hochziehen können. Noch dem miserabelsten Piloten wäre es ein Leichtes gewesen, die Route zu korrigieren und wieder in das Inntal zu gelangen.
Er wandte sich an Alois: »Wann war der Absturz eigentlich? Ich meine die Uhrzeit?«
»Weiß nicht genau.« Der junge Mann stopfte seine Pfeife zuende.
»Ungefähr?«, bohrte der Ermittler nach.
»So gegen halb vier, hats geheißen.«
»Hm«, machte Kull. Die Sache wird interessant, dachte er. Die Junkers war um ein Uhr vom Flugplatz München-Oberwiesenfeld aufgestiegen. Wie sich Kull hatte versichern lassen, hatten die Flugwetterwarten an diesem Tag gute Bedingungen und keine erwähnenswerten Sichtbehinderungen gemeldet. Der Flug nach Innsbruck hätte höchstens eineinhalb Stunden dauern dürfen, für vierzehn Uhr dreißig war die Landung telefonisch angemeldet. Wieso stürzte die Maschine deutlich später ab? Und vor allem: Warum so weit abseits der eigentlichen Flugroute?
»Hast dus endlich gesehen?«, maulte der Bergführer.
»Interessiert Sie das gar nicht?«
»Kenns doch.«
»Sie waren schon mal hier?«
Alois nickte. »Bin bei der Feuerwehr.«
»Verstehe, dann hatten Sie ja hier einen Einsatz«, sagte Kull. »Wo lag die Maschine eigentlich, als Sie ankamen?«
»Wo wohl?« Alois’ Pfeifenstiel zeigte nach oben. »Die Stelle, wo’s noch ganz schwarz ist.«
»Ach ja, natürlich«, sagte der Ermittler. »Sagen Sie, Herr Alois – es muss doch ein furchtbarer Anblick gewesen sein, als Sie an der Absturzstelle ankamen, was?«
Der junge Mann paffte. »Kannst dir ja denken.«
Kull nickte mitfühlend. Er sah gedankenvoll nach oben, dann wieder zu Alois. »Wissen Sie zufällig, ob noch was Wertvolles gefunden worden ist?«
»Was meinst damit?«
»Was weiß ich? Geld vielleicht? Schmucksachen?«
Der Wind zauste den Schopf des Bergführers. »Mir nichts bekannt«, sagte er. Bedächtig drückte er den Tabak in den Pfeifenkopf und nahm einen tiefen Zug. »Da musst schon die Kriminaler fragen.« Er sah Kull an. »Sag, können wir dann weitergehen? Mir pressierts langsam.«
»Gleich. Sagen Sie, hat man im Dorf denn sehen können, wie das Flugzeug abgestützt ist?«
»Es ist neblig gewesen«, erwiderte Alois genervt. »Außerdem ist die Stell von unten aus nicht zu sehen.«
»Wie ist man dann überhaupt darauf aufmerksam geworden?«
»Keinen Dunst.«
Kull machte eine Kopfbewegung in die Tiefe. »Ich habe da unten eine freie Fläche erkennen können, sah aus wie eine kleine Rodung. Ein Haus hab ich nicht erkennen können, womöglich ist es aber nur von den Bäumen verdeckt. Wohnt da jemand?«
Der Bergführer schüttelte langsam den Kopf. »Da wohnt keiner mehr.«
»Der Hof ist
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