Am Ende des Tages
unwirsche Stimme zum Eintreten auf. Sie steckte den Kopf durch den Türspalt.
»Der Herr, den uns der Herr Doktor Rosenauer empfohlen hat, wär jetzt da.«
»Wer?!«
»Der Herr, den uns der Herr Doktor Rosenauer …«
»Warum sagen Sie das nicht gleich? Rein mit ihm.«
Die Sekretärin forderte Kajetan mit einer Kopfbewegung zum Eintreten auf, nahm ihm seinen Hut ab, ließ ihn an sich vorbei gehen und kehrte auf ihren Platz zurück.
Dr. Herzberg schob eine Kladde beiseite und sah auf.
Kajetan schätzte den Anwalt auf Anfang fünfzig. Er strahlte bürgerliche Solidität aus, hatte die kräftige Statur eines Genießers, ein kantiges, energisches Gesicht. Seine hellen Augen wirkten jedoch etwas müde. Vermutlich war das Gespräch, das er gerade geführt hatte, kein angenehmes gewesen.
Kajetan stellte sich mit einer angedeuteten Verbeugung vor. Der Anwalt nickte und wies mit knapper Geste auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch. »Doktor Rosenauer scheint ja viel von Ihnen zu halten.«
Kajetan wehrte bescheiden ab und setzte sich. Der Anwalt musterte ihn. »Nichts desto trotz ist auf derartige Empfehlungen nicht immer Verlass.«
Kajetan nickte irritiert. Was sollte diese Bemerkung?
»Es ist durchaus schon vorgekommen, dass manche Zeitgenossen sich damit einer lästigen Verpflichtung entledigen möchten«, erklärte Herzberg nüchtern. »Die Botschaft wäre in etwa: Ich möchte diese Person lieber nicht in meiner Umgebung haben, kann ihr das aber nicht so offen unter die Nase reiben und kaschiere dies mit dem freundschaftlichen Angebot, ihr bei der Stellungssuche zu helfen. Sie verstehen, was ich meine?«
»Schon«, meinte Kajetan. Er begann sich unbehaglich zu fühlen. Fängt ja schon gut an, dachte er. Gab es in der Stadt eigentlich noch Menschen, die nicht schlecht gelaunt, nicht misstrauisch waren?
»Um es anders zu sagen: Der gute Doktor Rosenauer lobte Sie zwar als erfahrenen Ermittler. Seinen Andeutungen war allerdings auch zu entnehmen, dass Ihre berufliche Laufbahn nicht unbedingt als geradlinig zu bezeichnen ist. Die Rede war von Strafversetzung und unehrenhafter Entlassung aus dem Polizeidienst. Sie werden verstehen, dass ich keinen Wert auf Mitarbeiter lege, bei denen Zweifel an deren Zuverlässigkeit besteht. Und die Sorte Schwätzer oder Abenteurer, von denen ich schon zur Genüge belästigt worden bin, kann ich ebenso wenig gebrauchen.«
Kajetan stand auf und wandte sich zur Tür.
Der Anwalt runzelte die Stirn. »Was soll das jetzt?«
»Ich glaub, das wird nichts mit uns«, sagte Kajetan.
»Einen Augenblick, ja? Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe. Das werden Sie mir gefälligst zugestehen. Wenn nicht«, – er wies zur Tür –, »dann pflegen Sie ruhig weiter Ihre gekränkte Eitelkeit.« Er schüttelte den Kopf. »Ziehen Sie eigentlich immer so schnell den Schwanz ein?«
»Ich brauch mich nicht wie ein Schulbub examinieren zu lassen.«
Herzberg sah Kajetan erstaunt an. »Das hatte ich auch nicht vor. Mir geht es lediglich darum zu erfahren, ob ich jemanden mit Aufgaben betrauen kann, die höchste Verantwortlichkeit erfordern. Und wenn Sie mir bisher genau zugehört hätten, so habe ich bisher mit keiner Silbe behauptet, dass Sie auf mich einen unfähigen Eindruck machen.« Der Anflug eines versöhnlichen Lächelns umspielte den Mund des Anwalts. »Und überhaupt – wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, dass ausgerechnet ich jemanden verurteilen könnte, nur weil er mit der hiesigen Justiz und der Polizei Probleme bekommen hat?« Er deutete auf den Stuhl. »Und deshalb bitte ich Sie, wieder Platz zu nehmen. Sie dürfen mir nicht übel nehmen, dass ich ein Mann klarer Worte bin. Dass ich derzeit Grund zu guter Laune hätte, kann ich bedauerlicherweise ebenfalls nicht behaupten.«
Kajetan setzte sich zögernd. Herzberg nickte ihm auffordernd zu.
»Aber jetzt reden Sie. Sie waren also Kriminalbeamter. Weshalb wurden Sie entlassen?«
Kajetan berichtete. Herzberg hörte aufmerksam zu.
»Und obwohl man seit Jahren um die Verbrechen der Feme weiß, hat man sich geweigert, Sie zu rehabilitieren, richtig?« Er schüttelte den Kopf. »Was sich in Polizei und Staatsanwaltschaft abspielt, ist wahrlich ein erbärmliches Trauerspiel geworden.« Er blickte zur Seite. »Früher war es wenigstens gelegentlich noch eine Komödie.« Er fing Kajetans zustimmendes Nicken auf. »Aber wir sollten den Herrschaften nicht auch noch den Gefallen tun, ins Lamentieren zu verfallen. Da sind wir
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