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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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Mentalität des Landvolks ein wenig beschäftigt hätte, dann wüsste man, dass es nicht immer zart besaitet ist. Und, Hand aufs Herz, wie oft hat unsereins in seiner Wut nicht schon einmal ähnliche Äußerungen getan? Wie oft habe ich beispielsweise schon gesagt, dass ich am liebsten den gesamten Justizpalast ausräuchern würde?«
    Kajetan grinste.
    »Sehen Sie. Purer Unsinn, daraus eine Mordabsicht zu konstruieren«, schloss Herzberg. »Und weiter?«
    »Diese Zeugen aus dem Weiler Riedenthal«, fuhr Kajetan fort, »die ihn gesehen haben wollen, wie er den Hof einige Minuten vor dem Mord in die Richtung des Tatorts verlassen hat …«
    »Das waren zwei Buben aus der Nachbarschaft, zehn und elf Jahre alt. Die Aussage einer dritten Person, einer älteren Nachbarin, ist ebenfalls als Belastung gewertet worden. Zwar hatte die Frau zu Protokoll gegeben, dass sich zur fraglichen Zeit eine Gestalt von Rotters Hof entfernt hat. Sie hat aber stets hinzugefügt, nicht bestätigen zu können, dass es der Angeklagte war. Im Gegenteil. Sie bestand darauf, dass sie sein Gesicht definitiv nicht sehen konnte. Vor allem kenne sie seinen Gang. Die von ihr beobachtete Person jedoch sei anders als Rotter gegangen.«
    »Wieso ist das nicht zu seinen Gunsten ausgelegt worden?«
    »Der Ankläger behauptete, die Zeugin mache diese Einschränkung vermutlich aus einer Art nachbarschaftlicher Rücksichtnahme. Es habe außerdem bereits Dämmerung geherrscht, weshalb sie sich getäuscht haben könnte.«
    Kajetan schnalzte leise mit der Zunge. »Was natürlich auch für die beiden anderen Zeugen zutreffen würde.«
    »Eben. Und, wie Sie ja gelesen haben werden, sagten auch die beiden Buben aus, dass Rotters Gesicht nicht zu erkennen war. Sie nahmen zwar an, dass er es war. Aber letztlich nur, weil sie sich nicht vorstellen konnten, wer es sonst gewesen sein sollte.«
    »Aber sogar die Hausmagd«, Kajetan warf einen Blick auf seine Notizen, »Ludmilla Köller hat doch ausgesagt, dass der Bauer zur Tatzeit auf dem Hof gewesen ist?«
    Herzberg machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sicher. Aber auch hier wandte der Staatsanwalt ein, dass die Köller sich in der Küche aufhielt und letztlich nur bestätigen könne, dass sich Rotter wie üblich gegen vier Uhr zur Stallarbeit aufgemacht hatte und erst gegen halb sechs aufgebracht bei ihr in der Küche auftauchte, weil seine Frau schon längst mit dem Melken der Kühe hätte beginnen sollen. Er hätte sich, so der Staatsanwalt, schließlich unbemerkt in den Wald schleichen, seiner Frau auflauern, sie erschießen und anschließend wieder in den Stall zurückkehren können.«
    »Soweit ich mir die Hauspläne angesehen habe, kann man den entsprechenden Hinterausgang wie auch den Weg zum Wald von der Küche aus tatsächlich nicht einsehen. Warum kann er sich nicht doch für kurze Zeit davongestohlen haben?«
    »Weil nicht nur dieses Fräulein Köller, sondern auch die hinzugekommenen Nachbarn glaubhaft versichern konnten, dass alle Arbeiten mit der üblichen Sorgfalt erledigt worden waren. Das Vieh war gefüttert und getränkt, der Stall gesäubert. Diese Arbeiten können in einem Hof wie dem des Rotter unmöglich in der Hälfte der Zeit bewerkstelligt werden. Wovon ein Staatsanwalt natürlich keine Ahnung hat. Für ihn kommen Milch und Fleisch aus der Feinkostabteilung von Dallmayr. Deswegen wurde auch dieser Einwand abgeschmettert.« Herzbergs Miene wurde besorgt, als er fortfuhr: »Es hat sogar eher das Gegenteil bewirkt. Dass die Köller gerade dieses Argument mit großer Beherztheit vortrug, dass sie überhaupt – ja, wie eine Löwin – für den Bauern kämpfte, hat Ankläger und Richter auf eine neue Idee gebracht. Nämlich, dass sie und Rotter sich näher als erlaubt gestanden haben könnten. Was die junge Frau in ihren Augen natürlich umso unglaubwürdiger machte. Vor allem glaubte man, damit eine weitere Bestätigung des Mordmotivs zu haben. Rotter habe demnach seine Frau erschossen, um mit seiner Magd zusammen sein zu können.«
    »Ganz abwegig wärs ja auch nicht«, wandte Kajetan ein. »Und was die Arbeiten im Stall angeht, so …«
    Herzberg ergänzte ungeduldig: » … so könnte sie doch für ihn in der Zeit eingesprungen sein, in der er im Wald war und seiner Frau aufgelauert hat, wollen Sie sagen?«
    Kajetan streifte sein Gegenüber mit einem forschenden Blick. Er ist angespannt, dachte er. Und ob ich mit seiner herablassenden Art wirklich warm werde, weiß ich auch noch nicht.
    »In

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