Am Ende des Tages
erklären, und dann …« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Fürst, verdammt noch mal! Sie waren doch ein vorbildlicher Soldat! Diszipliniert! Schneidig! Ein Bild von einem Kerl! Und zeigen jetzt eine derartige Rückgratlosigkeit? Eine Schande!«
Fürst kippte nach vorne und presste seine Hände an seine Schläfen. »Ich … ich brauchs … ich …«
»Nichts da!«, brüllte der Major. Er stand auf. »Und jetzt hinaus!«
Wenn diese erbärmliche Kreatur jetzt auch noch wagt, mich zu erpressen, ist sie tot.
Fürsts Blick kroch über die Brust des Majors nach oben.
»Die Schmerzen«, sagte er tonlos. »Sie werden schlimmer. Ich … ich halts bald nimmer aus …«
Der Major starrte ihn an. Verdammt, dachte er. Verdammt.
Er sank auf seinen Sessel zurück.
»Die Schmerzen?«, sagte er mit belegter Stimme.
Fürst nickte. »Und … es ist einer hinter mir her …«
»Wie, hinter Ihnen her?«
»… wegen einer Sach von früher …«
Lindenfeld versuchte, seine wachsende Unruhe zu verbergen. Verfolgungswahn, dachte er. Der Bursche ist krank. Er dreht mir durch.
»Nun mal ganz sachte«, sagte er begütigend. »Keine Panik, ja? Es gibt für alles eine Lösung.«
39.
Kajetan stampfte wütend auf. Er hatte die letzten Meter von der Haltestelle der Elfer-Tram zum Bahnsteig im Laufschritt zurückgelegt, sah aber nur noch, wie sich die Lichter des Zugs nach Mühldorf in nebeliger Ferne verloren. Er hatte Burgi überraschen, sie vor ihrer Abreise noch einmal umarmen und ihr versichern wollen, sie zu besuchen, sobald es ihm sein Auftrag erlauben würde. Für einen Tag vielleicht. Und eine Nacht. Vielleicht auch ein wenig länger.
Verdrossen trat er auf den Platz vor dem Ostbahnhof. Hatte er überhaupt richtig entschieden? War es richtig gewesen, Burgi zu verschweigen, dass er bald wieder als Kriminalbeamter arbeiten würde? Hätte er nicht doch besser ihr Angebot angenommen? Was wäre, wenn sich Rosenauer als unleidlicher Despot, die Kollegen als missgünstige Konkurrenten entpuppten? Wenn der Wind sich doch wieder drehte und man Rosenauer kalt stellte? Danach sah es zwar nicht aus. Der Kripo-Chef war durchsetzungsstark. Mit Hochdruck, und oft bis spät in die Nacht, arbeitete er daran, seinen Stall auszumisten. Und er hatte ihn an diesem Abend zu sich bestellt und angedeutet, eine wichtige Information für ihn zu haben.
Kajetan sah auf die Bahnhofsuhr. Zu spät, um noch im Wohnungsamt vorbeizuschauen. Er warf einen Blick nach oben. Der Himmel war hoch, fette Wolken schwammen gemächlich auf den westlichen Horizont zu, wo sie sich vor die sinkende Sonne schoben. Es würde nicht regnen. Gelegenheit, sich noch ein wenig frische Luft um die Ohren wehen zu lassen und sich auf der Praterinsel noch einen Schluck Bier zu genehmigen.
Er schlenderte über den Orleansplatz, verließ das Franzosenviertel und schlug den Weg ins alte Haidhausen ein. Er überquerte den Johannis- und Wiener Platz, blieb stehen, zündete sich eine Zigarette an, ging weiter. Aus den Isaranlagen wehte eine frische Brise. Nur noch wenige Fußgänger waren im Park unterwegs.
Die Sonne ging unter. Die Dämmerung schritt rasch voran. Unter Kajetans Sohlen raschelte Laub. Er erreichte die Bohlenstiege, die über den Isarhang zu einer kleinen Waldung am Ufer führte. Die hölzernen Stufen waren glitschig. Durch das kahle Geäst blinkten bereits die Lichter des Gasthauses auf der Praterinsel. Kajetan blieb stehen und sah um sich. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen. Hier musste sich doch der Steg über den Mühlbach befinden, von dem aus man über die Praterbrücke zur Insel gelangte? Er suchte das Bachufer ab. Im dunklen Gehölz neben ihm knackte ein Zweig. Das Rauschen des Baches verstärkte sich.
In diesem Augenblick krachte es neben ihm, als bräche ein schweres Tier aus dem Unterholz. Er wirbelte herum, sah einen dunklen Schatten auf sich zuhechten, konnte gerade noch schützend die Hände heben, als er schon einen heftigen Schlag gegen seine Schulter verspürte. Er ruderte mit den Armen, bekam ein Stück Stoff des Angreifers zu fassen. Aus dem Stand gerissen, torkelte der Unbekannte sekundenlang, ging jedoch sofort wieder in Angriffsstellung. Er keuchte, in seiner Faust schimmerte es metallen. Kajetan wich zurück, seine Ferse stieß an eine niedrige Einfassung, er verlor den Halt, fiel auf den Rücken und prallte mit dem Hinterkopf auf eine harte Wurzelknolle. Blendende Garben blitzten vor seinen Augen. Bevor er das Bewusstsein verlor,
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