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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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duckte sich, stürzte mit einem Wutschrei vor und konnte dem Kellner noch einen ungezielten Faustschlag unter die Augen versetzen, ehe dieser zu einem mörderischen Bauchschwinger ausholte. Stöhnend ging Fürst zu Boden. Der Kellner wischte sich über Gesicht und Nase und bemerkte, dass er blutete. Er zog seinen Kopf zwischen die Schultern. Sein Blick wurde dunkel.
    »So«, sagte er gepresst. Er ging auf den Liegenden zu, riss ihn an der Jacke hoch, drückte ihn an die Ziegelwand und begann, auf ihn einzuschlagen. Fürsts Kopf knallte an die Wand. Er sank in die Knie, der Kellner bückte sich, um ihn wieder hochzuziehen.
    Auf die junge Frau hatte keiner mehr geachtet. Mit einem Aufschrei stürzte sie sich dazwischen und schlang ihre Arme schützend um den Liegenden. Der Kellner starrte sie verdutzt an und wich zurück.
    »Aufhören«, flüsterte Moidl atemlos.
    Die Männer sahen sich erstaunt an. Der Kellner runzelte die Stirn. Dann winkte er verächtlich ab und stapfte in die Gaststube zurück. Die Anderen folgten ihm.
    »Wie blöd ist die denn noch?«, meinte einer.
    Dann waren beide allein. Moidl hielt ihn noch immer umarmt und streichelte ihn unbeholfen. Als sie sein geschwollenes Gesicht berührte, stöhnte er auf. Sie zuckte zurück, legte ihren Kopf auf seine Brust. Sie weinte leise.
    »Es ist von dir, Johann … ich schwörs … Ich fall auf der Stell tot um, wenn ich lüg … Ich hab mit keinem anderen was gehabt.«
    Fürst öffnete die blutverklebten Augen. »Ich bring ihn um …«, murmelte er. Ein Husten schüttelte ihn.
    »Ich tät dich doch so mögen, Johann«, schluchzte Moidl. »So gern, wenn du … wenn du bloß nicht allerweil so gachzornig wärst …«
    Langsam kam ihm wieder zu Bewusstsein, was geschehen war. Er hatte Moidl ins Luitpold-Tabarin ausgeführt, sie hatten getanzt, es war nicht aufregend mit ihr gewesen, aber es hatte ihm gutgetan, von ihr angehimmelt zu werden. Danach waren sie noch beim »Gaiser-Wirt« eingekehrt. Er war mit den Gedanken schon dabei gewesen, wie er mit ihr in ihrem Hauseingang noch saftig poussieren würde, als sie plötzlich das angebotene Bier zurückgewiesen und mit eigenartigem Lächeln darüber geklagt hatte, dass ihr in letzter Zeit öfters schlecht werden würde. Schließlich hatte sie sich an sein Ohr geneigt und ihm etwas zugeflüstert. Woraufhin er sie aufgefordert hatte, mit ihr in den Hof zu gehen. Als sie allein waren, hatte er ihr vorgeworfen, ihn aufs Kreuz legen zu wollen. Sie hatte widersprochen und zu heulen begonnen, er wollte ihr den Mund zuhalten, sie heulte lauter, schlug um sich. Und dann war wieder etwas in ihm geplatzt.
    Er spürte, wie Tränen über seine Wangen liefen. Mit mir nicht, dachte er verzweifelt. Mit mir nicht.
    »Du musst …«, begann er krächzend, »du musst … dich putzen lassen.«
    Sie sah in sein Gesicht. In ihrer Miene spiegelte sich Unglauben. Dann Entsetzen. Ihr Kopf sank auf seine Brust zurück. Eine Weile schwieg sie, schien kaum noch zu atmen. Dann flüsterte sie: »Ich möcht sterben.«
    Er hörte es nicht. Ein Krampf erfasste seinen Körper. Er neigte sich zur Seite und erbrach sich.

37.
    Dr. Herzberg nippte an seinem Tee und stellte die Tasse ab. »Dann lassen Sie uns noch einmal zusammenfassen«, begann er aufgeräumt. »Wir können mit folgenden neuen Erkenntnissen aufwarten. Erstens, dass sämtliche Zeugenbeobachtungen bis auf die Tatsache, dass ein Unbekannter den Rotter-Hof kurz vor der Tat verlassen hat, keinen Pfifferling wert sind. Zweitens, dass Johann Fürst bei seinem Alibi gelogen hat. Womit sich, und das nicht nur theoretisch, die Möglichkeit eröffnet, dass er sich zum Zeitpunkt des Mordes noch in der Nähe des Tatortes aufhielt.« Er ließ sich in die Lehne zurückfallen. »Dabei wäre allerdings die Frage, ob es reicht, auf das Tagesjournal des Thalbacher Bahnhofs zu verweisen. Fürst könnte sich doch auf einen schlichten Irrtum seinerseits hinaus reden. Bei dem Durcheinander, das damals im Land herrschte, wäre das durchaus nachvollziehbar.«
    Kajetan nickte. »Komisch dabei ist bloß, dass sich dann auch noch derjenige geirrt haben müsst, der ihm seine Ankunft bestätigt hat.«
    Der Anwalt betrachtete Kajetan nachdenklich. »Allerdings. Das ist in der Tat mehr als seltsam. Aber auch dieser Major von Lindenfeld könnte sich auf einen Erinnerungsirrtum hinausreden. Wie ich die Neigung des Gerichts kenne, vor Leuten wie ihm vor Respekt zu erstarren, würde er damit ohne weiteres

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