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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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sie sich. Sie klingt schlaftrunken.
    »Rachel, ich bin’s«, flüstere ich und wölbe die Hand um die Sprechmuschel. »Mary.«
    Das Schweigen hallt durch die Leitung. »Mary!«, sagt sie schließlich. »Aber – es ist kurz vor zwei Uhr früh!«
    Wieder gibt es eine Pause. Ich frage mich, ob es ein Fehler war, um diese Zeit anzurufen.
    »Aber es ist so schön, dich zu hören, Mary. Es ist so schön …« Ihre Stimme bricht. »Entschuldige.«
    »Ich liebe dich, Rachel«, sage ich mit zitternder Stimme.
    »Ich liebe dich auch. Es tut mir so leid, dass ich weggeblieben bin. Es war alles meine Schuld. Ich hätte Kontakt halten sollen.«
    »Ich hätte mich auch mehr anstrengen können«, sage ich lahm.
    Ich höre Schritte auf der Straße und lege die Hand auf die Sprechmuschel. Halb rechne ich damit, Billys Schlüssel im Schloss zu hören. Aber die Schritte gehen vorbei.
    »Ich war so traurig wegen Robert, Rach. Ich hatte ja keine Ahnung. Er war noch so jung. Was ist passiert?«
    »Es war sein Herz. Dabei sind wir extra hierher gezogen, damit er ein gesünderes Leben führt. Er hatte schon mal einen, weißt du. Einen Herzinfarkt. Jedenfalls, der Arzt meint, es war wahrscheinlich eine Zeitbombe, die irgendwann explodieren musste.«
    Einen Augenblick lang schweigen wir beide.
    Dann fragt sie: »Und wie geht’s dir und Billy so?«
    Ich lache und klinge härter, als mir lieb ist. »Er ist weg. Er ist vor ungefähr vier Wochen ausgezogen, kurz bevor die Jungs wieder zur Schule mussten. Er sagt, er liebt mich noch, aber er kann nicht mehr mit mir leben. Oder etwas ähnlich Abgedroschenes.«
    »Oh«, sagt Rachel. »Und wie geht’s dir damit? Geht’s dir gut?«
    »Uns geht’s gut.«
    Rachel räuspert sich, und ich kann hören, wie sie sich im Bett umdreht. Ich versuche, mir das Zimmer vorzustellen, in dem sie schläft. Drüben auf der anderen Seite des Wassers auf der Isle of Wight.
    »Hast du nach Matthew noch ein Kind gekriegt?«, fragt sie.
    »Noch zwei. Ich habe Jake, der ist dreizehn, und Andy ist zehn. Und Matthew ist jetzt siebzehn.«
    »Du lieber Gott. Ich habe zwei. George ist dreizehn, und dann ist da noch Katy. Sie ist fast zehn.«
    »Ich bin Tante«, sagen wir beide und lachen.
    »Und wir haben beide einen Dreizehnjährigen. Stell dir das vor. All die Zeit haben wir nichts davon gewusst. Wann ist George denn geboren?«
    »Im Mai«, sagt Rachel.
    »Nein! Jake am 17. Mai!«
    »Jetzt willst du mich veräppeln.« Sie klingt wie die alte Rachel. »George hat auch am 17. Mai Geburtstag!«
    Wir schwatzen wie in alten Zeiten, ganz aufgeregt über all diese Neuigkeiten. Was für ein Gedanke – wir waren gleichzeitig schwanger und haben gleichzeitig entbunden! Und wir wussten es nicht.
    »Ich kann nicht erwarten, Jake das zu erzählen«, sage ich lachend. »Sie müssen sich kennenlernen. Sie sind ja praktisch Brüder!«
    Rachel seufzt, und ich fühle, wie sie lächelt. »Schreib mir einen Brief, Mary. Erzähl mir, was in den letzten vierzehn Jahren alles passiert ist. Machst du das?«
    »Ja. Ich fange morgen an. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du das Gleiche tust.«
    »Wir können diese Lücke wieder schließen, Mary. Wenn wir es wirklich wollen. Es kann wieder so sein wie früher.«
    Jetzt weine ich. Heiße Tränen laufen mir über das Gesicht, und ich möchte sie so gern an mich ziehen und ihre warme Umarmung spüren.
    »Ich liebe dich«, sage ich und lege auf.
    Am nächsten Morgen stehe ich um elf auf. Ich sehe zu, wie die Digitalzahl Ziffer um Ziffer ansteigt, von 10.29 an, bis die 11.00 mir verbietet, noch länger in meinem warmen, sicheren Bett zu bleiben. Es ist Samstag; die Jungs sind auf und sitzen vor dem Fernseher. Matthew steht aus dem Sessel auf, als ich hereinkomme. Er nimmt seine Lederjacke vom Haken und schlägt die Haustür hinter sich zu.
    »Möchtest du eine Tasse Tee, Mum?«, fragt Jake und stellt seine leere Cornflakesschale auf den Couchtisch.
    »Seid ihr noch nicht angezogen, ihr Faulpelze?« Ich bleibe lächelnd in der Tür stehen.
    Andy sieht mich an. Unverschämtheit , sagt sein Blick, und er lächelt. Der Fernseher plärrt laut, meine Augäpfel sind wund, und mein Kopf ist voller Watte. Wahrscheinlich, weil ich so viel geweint habe. Sie gucken Roger Ramjet , und die schrillen amerikanischen Stimmen kratzen an meinen Trommelfellen.
    »Mach das leiser, Jakey«, sage ich, als er mir eine Tasse Tee reicht. »Und müsst ihr so dicht davor hocken? Schiebt das Sofa wieder dahin, wo es

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