Am Ende eines Sommers - Roman
zitternd, ab. »George, Alter! Dein Gesicht!«
»Drecksack«, sagt er und hält das Ohr dicht an den Zaun. Er konzentriert sich kurz, dann packt er den Draht und springt mit einer schnellen Flanke herüber.
»Wie hast du das gemacht?«, frage ich. »Du hast keinen Schlag gekriegt.«
»Spezialtrick. Man muss hören können, wann die Welle vorbei ist. Ich zeig’s dir später, wenn du willst.«
George streckt mir die Hand entgegen, ich drücke sie, und wir schlagen einander auf den Rücken wie Männer.
»Wird dir gefallen hier«, sagt er.
Im ausgebauten Teil des Hauses sind zwei Räume, die Küche und das Schlafzimmer, und das Schlafzimmer ist durch einen sonnenblumengelben Vorhang in zwei Hälften geteilt. Tante Rachel schläft auf der einen Seite, und George und Katy schlafen in zwei schmalen Betten auf der anderen. Bis die drei in ein paar Tagen abreisen, wird unsere Familie draußen zelten. Dad hat schon angefangen, das große Zelt aufzubauen; er hat die Stangen und Heringe sortiert und zurechtgelegt. Sein T-Shirt liegt als zerknülltes Bündel neben dem Sack für die Heringe, und er sieht stark und ernst aus, als er in seinen ausgebleichten Shorts und barfuß im Gras herumgeht. Er fährt sich durch das Haar, und es steht, vom Schweiß durchfeuchtet, vorn hoch. Normalerweise würde er inzwischen nach Mum schreien, damit sie kommt und ihm hilft. George und ich fangen an, ein paar Schritte neben Dads Platz das kleinere Zwei-Mann-Zelt aufzubauen. Auch wir ziehen unsere T-Shirts aus, und unsere braunen Körper wirken in dieser ausgewaschenen Landschaft glatt und unnatürlich. Als ich mich nach dem Heringssack bücke, muss ich meine Shorts festhalten, weil sie hinten runterrutschen.
»O mein Gott!«, schreit George. Er wirft sein T-Shirt an mir vorbei ins Gestrüpp. »Dein weißer Arsch! Ich – ich – ich glaube, ich bin blind! Dieses Licht! Er ist – so – weiß!«
»Deiner ist bestimmt auch nicht besser!« Lachend stürze ich mich auf ihn, schnipse mit dem Zeigefinger gegen seinen einen Nippel und gebe ihm einen Rippenstoß.
»Du Schwuli!«, schreit er. »Nippelzwicker!«
»Wenn ich auf dich scharf wäre, dann bloß, weil du wie ein Mädchen aussiehst!«, rufe ich und verpasse ihm eine, als er wieder auf mich losgeht.
Aber es ist zu heiß, um weiter herumzualbern. Also nehmen wir uns wieder das Zelt vor. Nach einer halben Stunde steht es, während Dad schon wieder fluchend seine Stangen auseinanderschraubt und sich den Schweiß von der Stirn wischt.
»Diese verfluchten Stangen. Die sollten sie beschriften oder so. Verdammt!«
Ich und George bieten unsere Hilfe an. Er sieht ziemlich stinkig aus, aber ich sehe ihm an, dass er sich über die Hilfe freut. Es ist zwar schon spät am Nachmittag, aber die Sonne brennt uns immer noch auf den Rücken, und der Schweiß fließt mir von der Kopfhaut in den Nacken, als ich die Metallrohre drehe und biege, bis alles an seinem Platz ist. Ich habe das jetzt zwei Mal gemacht, und bald steht das Gerüst, wir können die Leinwand darüberziehen und mit den Heringen spannen. Tante Rachel bringt ein Tablett mit Getränken heraus: klare Limonade und eine Flasche Bier.
»Es ist nicht kühlschrankkalt, aber man gewöhnt sich daran«, sagt sie und reicht Dad das Bier.
»Nettes Fleckchen habt ihr hier, Rach«, sagt er und nickt Richtung Scheune und Landschaft dahinter.
Tante Rachel balanciert das leere Tablett auf der Hüfte und atmet tief ein. Sie lächelt und schaut still und glücklich über ihre Landschaft. Die Lücken zwischen ihren Zehen an den kastanienbraunen Füßen sind leuchtend weiß. »Eigentlich gehört es Robert.«
Dad schaut zu Boden und schweigt einen Moment lang.
»Ich bin ihm nur einmal begegnet, aber ich konnte sehen, dass er ein guter Mann war.« Er hebt den Kopf und sieht Tante Rachel an. Sie schaut immer noch ins Tal. »Es tut mir leid, dass wir den Kontakt verloren haben, Rach. Mary hat es das Herz gebrochen. Ich kann dir nicht sagen, wie glücklich sie jetzt hier ist.«
Tante Rachel schüttelt die Tropfen vom Tablett, streckt die Hand aus und drückt sanft Dads Schulter. Dann schlendert sie zum Haus zurück, während wir mit der Leinwand kämpfen, um das Zelt fertig zu kriegen. Wir haben unsere Sache gut gemacht: Der Zelteingang ist auf den schönsten Ausblick gerichtet. Wir sind nah genug am Haus, aber weit genug weg von dem stinkenden Chemieklo in dem steinernen Holzschuppen, in der Nähe der Küchentür.
»Piss ins Gebüsch – es sei denn,
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