Am Ende eines Sommers - Roman
Scham umhüllt mich wie ein Nebel.
Jake,
August 1985
In der Ecke der kühlen, dunklen Küche hängt eine große, geflochtene Hängematte. Tante Rachel gibt mir ein Glas Wasser, dann hilft sie mir hinein und sagt, ich soll mich ein bisschen ausruhen. Ich höre, wie sie draußen zu George sagt, er soll mit den anderen durch die Felder und Wälder gehen, damit ich Ruhe habe. Mum streichelt mir über den Kopf und verschwindet.
Ich schaukle sanft hin und her und schaue zu der Balkendecke über mir hinauf. Mir geht’s gut, aber es ist schön, hier zu sein, allein mit Tante Rachel, die in der Küche herumhantiert und Teller und Töpfe für das Abendessen auf den Tisch stellt. Der Tisch ist riesengroß; er sieht aus wie eine Scheibe von einem Baumstamm, die knorrige Rinde sitzt noch außen rum. Er ist verschrammt und vernarbt von jahrelangem Gebrauch.
»Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, für heute Abend zünde ich ein Feuer an. Bisher hatten wir noch keins, aber es wird kalt abends. Hoffentlich ist es euch in den Zelten warm genug.« Tante Rachel fängt an, Zeitungen zusammenzurollen zu Feueranzündern. Sie macht sie nicht schnell, dick und klobig wie Mum. Sie setzt sich an den Tisch und breitet einen Bogen Zeitungspapier vor sich aus, dann rollt sie ihn zusammen, fest und dünn wie eine Zigarette, bis sie eine lange, dünne Papierstange hat, die sie zusammenschlingen und auf den Rost legen kann. Das macht sie immer wieder, und ich schaukele langsam und wie hypnotisiert in meiner Hängematte hin und her.
»Ich glaube, die Hitze hat dich umgehauen«, sagt sie und rollt immer noch.
»Ja, glaub ich auch«, sage ich.
»Und, wie ist es so, euren Dad wiederzuhaben?« Tante Rachel blickt von ihrem Zeitungspapier auf.
»Das ist gut, wirklich gut.«
»Und Mum? Wie geht es ihr in letzter Zeit?«
Ich ziehe die Stirn kraus. »Wie meinst du das?«
»Ich bin ihre Schwester, Jake. Ich kenne die Anzeichen.«
Ich schaue zur Decke und antworte nicht.
»Als wir jung waren, war sie immer wieder … na ja, man würde wohl sagen, down. Ihre Stimmungen – mal war sie himmelhoch jauchzend, und dann war sie wieder down. Weißt du, was ich meine, Jake?«
Ich nicke, ohne den Blick von der Decke zu wenden.
»Das habe ich Weihnachten in ihr gesehen. Und Ostern, als ihr gekommen seid. Ich erkenne die Zeichen, auch nach so langer Zeit noch. Für euch Jungs ist das bestimmt nicht immer einfach. Und eine Mum sein, ist auch harte Arbeit. Das weiß ich.«
Jetzt sehe ich sie an, und sie beobachtet mich. Ihre Hände sind gefaltet vor ihr, und der Tisch ist bedeckt von ihren säuberlich gerollten Anzündern. Wieder nicke ich. Tante Rachel sieht mich lange an, und ich schaue nicht weg.
»Ihr braucht alle ein bisschen Erholung«, sagt sie. »Hier werdet ihr euch ausruhen, man kann hier kaum etwas anderes tun als spazieren gehen, essen und sich ausruhen. Das wird euch allen guttun.« Sie beugt sich in den großen Kamin und verteilt die Anzünder unter Zweigen, Stöcken und kleinen Ästen. »Und wenn ihr wieder zu Hause seid und du einfach mal rausmusst, dann sag’s mir einfach, Jake. Du bist jederzeit willkommen auf Manningly.«
Sie zündet das Papier an, und wir sehen, wie der Rauch in Spiralen in den schwarzen Kamin hinaufsteigt. Spinnen und Käfer fallen herunter, zum ersten Mal seit Monaten ausgeräuchert. Manche fallen direkt in die aufsteigenden Flammen, andere landen daneben, krabbeln hastig davon und bringen sich in den Ecken der Küche in Sicherheit. Rachel stößt einen kleinen Schrei aus und sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. Wir müssen beide lachen, und dann saust sie herüber, sagt, ich soll ein Stück rücken, und klettert zu mir in die Hängematte.
»So ist es besser.« Sie verschränkt die Arme und schaut zur Decke.
»Aber sie können immer noch von da oben runterfallen«, sage ich und deute auf eine dicke schwarze Spinne, die sich hinter einem der Balken versteckt.
»Aaaahh!«, schreit sie, und wir schaukeln in der Hängematte und lachen, und Tante Rachel versteckt das Gesicht hinter den Händen. »Ein feines Landmädchen bin ich«, sagt sie.
»Ich passe auf, dass sie dich nicht kriegt.« Grinsend schaue ich zu der Spinne hoch und stoße uns leicht von der Wand ab, damit die Hängematte stärker schaukelt.
»Das weiß ich, Jake«, sagt sie, und es klingt ernst. »Du bist einer von den Guten.«
»Deine Haare sind jetzt fast so lang wie die von George«, stellt Mum fest. Sie steht hinter mir
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