Am Ende ist da nur Freude
der Zeit gewöhnte ich mich jedoch an meine Rolle als alleinerziehende Mutter. Schließlich heiratete mein Ex-Mann wieder und zog in einen anderen Bundesstaat. Hin und wieder musste ich an seine Bemerkung denken, dass wir nie richtig ineinander verliebt gewesen wären und erkannte, dass er Recht hatte. Wir hatten keine Verliebtheitsphase erlebt, weil wir einfach zu jung gewesen waren.
Jetzt, da meine Kinder acht und neun Jahre alt waren, fragte ich mich, ob ich wohl je meine wahre Liebe finden würde. Ich liebte meine Familie über alles und bewältigte alle Herausforderungen, aber ich fühlte mich oft überfordert, weil ich alles alleine schaffen musste. Ein paar Freunde verstärkten meine Bedenken noch, wenn sie sagten, dass meine Chancen, einen Partner zu finden, der auch optimal zu meiner Tochter und meinem Sohn passen würde, gegen Null gingen. Ich hatte die Hoffnung verloren und gab die Vorstellung, ich könnte je wieder jemanden finden, der mich und meine Kinder lieben würde, allmählich auf.
Dann begegnete ich in einem Yoga-Kurs zu meiner großen
Überraschung einem Mann namens Bill. Von unserem ersten Kuss an wusste ich, dass wir füreinander bestimmt waren, und ihm ging es ganz genauso. Dieser Kuss war völlig anders als alle, die ich bisher erlebt hatte. Wenn das Liebe war, dann war ich mir sicher, dass sie sehr tief ging! Bill liebte mich und meine Kinder über alles, und schließlich heirateten wir. Oft erwischte ich mich bei dem Gedanken, was für ein wunderbarer Mann er war und wie sehr er uns alle liebte. Außerdem war er mehr für meine Kinder da und enger mit ihnen verbunden als ihr leiblicher Vater.
Jahre später, die Kinder waren schon auf dem College, arbeitete ich und Bill unterrichtete Yoga. Immer wieder klagte er über Kopfschmerzen. Zunächst schenkte ich dem wenig Beachtung und riet ihm einfach zu Schmerztabletten. Er nahm nicht gerne Tabletten, probierte dann aber doch einige frei verkäufliche Mittel aus – ohne Ergebnis.
Als Bill schließlich zum Arzt ging, war ich sicher, dass bei ihm hoher Blutdruck diagnostiziert werden würde, weil das bei ihm in der Familie lag. Vielleicht bestand sogar das Risiko für einen Schlaganfall – mein schlimmster Albtraum. Damals ahnte ich nicht, dass noch viele Albträume folgen sollten. Ich erfuhr, dass die Kopfschmerzen meines Mannes von einem Tumor herrührten, der in der Nähe seiner Wirbelsäule saß und die Flüssigkeit im zentralen Nervensystem angriff.
Wir gingen zu den besten Ärzten und in die besten Kliniken,
die Boston zu bieten hat. Ich war froh, dass wir in einer großen Stadt lebten, die so viele Möglichkeiten bot und zudem in der medizinischen Versorgung und Forschung führend war. Doch im Laufe der Monate und der Behandlungen wich mein Optimismus einer großen Traurigkeit. Die Kehrseite der Medaille war nämlich, dass eine Behandlung, die es in Boston nicht gab, wahrscheinlich ohnehin nichts taugte.
In den folgenden Jahren war Bill immer wieder im Krankenhaus, und die Kinder verbrachten sämtliche Ferien gemeinsam mit uns. Ich weiß, dass ihnen das schwerfiel und dass sie wahrscheinlich lieber mit ihren Freunden Spaß gehabt hätten, aber ich spürte auch, dass sie unbedingt bei Bill und mir sein wollten.
Es war der 22. Dezember (nie werde ich dieses Datum vergessen). Die Kinder waren gerade nach Hause gekommen, weil die Weihnachtsferien begonnen hatten, und ich nahm sie mit zu Bill ins Krankenhaus. Als wir ankamen, riefen die Ärzte uns alle zu sich und eröffneten uns: »Wir haben getan, was wir konnten, aber der Krebs hat gestreut und die anderen Organe befallen. Bill hat nicht mehr viel Zeit. Möchten Sie ihn mit nach Hause nehmen?«
Mein Mann sah mich an, ich schaute in seine schönen Augen – und wir wussten beide, dass es Zeit für ihn war, nach Hause zu kommen. Diese Weihnachten waren etwas ganz Besonderes: keine Geschenke – nur Liebe. Die Vorstellung, einander Geschenke zu machen, tat uns allen viel zu weh. Was um alles in der Welt schenkt man einem
Sterbenden oder jemandem, der gerade einen Vater oder Ehemann verliert? Wir hatten keinerlei Erwartungen und wollten nur den Zauber der Feiertage und unser Zusammensein genießen.
Ein paar Tage nach Weihnachten wandelte sich Bills Zustand zum Schlechteren, und der Arzt sagte, uns blieben nur noch wenige Tage. Das war der schlimmste Moment in meinem Leben; ich musste erkennen, dass mein Mann so hinfällig geworden war. Ich konnte ihm nur noch sanft die Schultern
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