Am Ende ist da nur Freude
sie das Gespräch mit ihrer unsichtbaren Mutter wieder auf.
Es war wunderschön, dabei zuzusehen, und es war ganz anders als alles, was ich bisher erlebt hatte, weil nämlich die Patientin über ihre Vision selbst so verblüfft war. Dora war genauso perplex und erstaunt wie alle anderen auch, dass ihre verstorbene Mutter bei ihr im Zimmer
war und so spektakuläre und hell leuchtende Gewänder trug, dass sie wegsehen musste.
Währenddessen fragte ich Myra einmal, was sie beruflich machte.
»Ich unterrichte Kinder mit besonderen Bedürfnissen in der Grundschule.«
»Und was hat Ihre Großmutter gemacht?«, fragte ich, weil ich mich wunderte, dass ihre Erscheinung von so viel Licht umgeben war.
»Sie war Hausfrau, sie arbeitete aber auch häufig ehrenamtlich in unserem Krankenhaus am Ort«, berichtete Myra.
Den Tag, an dem Dora starb, werde ich nie vergessen. Es war 2003, der Krieg im Irak hatte eben begonnen, da hörte ich, dass sie uns verlassen hatte. Später fragte ich Myra, was sie von dem Erlebnis halte, und sie sagte mir unter Tränen, dass es für sie sehr schön und überhaupt nicht seltsam oder befremdlich war. Sie empfand das hauptsächlich deshalb so, weil sie sich vorstellen konnte, dass ihre Mutter in gewissem Sinn von ihrer eigenen Mutter hinübergeleitet worden war.
Rückblickend betrachtet habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass Dora ihre Mutter gesehen hat, eine Art Gast aus der geistigen Welt. Ich bin kein religiöser Mensch – das war ich nie –, aber die Vision erschien mir nicht unmöglich. Für mich war es einfach der natürliche Lauf der Dinge.
Normalerweise sterben Eltern vor ihren Kindern, und
wenn dann die Kinder an der Reihe sind, denke ich, dass ihre Eltern ihnen den Weg zeigen. Es ist, als ob ein Vater deshalb vor seinem Sohn stirbt, damit er wiederkommen und ihm zeigen kann, dass der Tod gar nicht so schlimm ist. Unsere Eltern warten auf der anderen Seite auf uns. Wenn ich richtig darüber nachdenke, dann muss ich zugeben, dass für mich die Tatsache, dass unsere Lieben über uns wachen, absolut einen Sinn ergibt.
Im Laufe der Zeit habe ich gesehen, dass Visionen für die Patienten sehr tröstlich sein können. Und ich werde mich immer an Dora und den tiefen inneren Frieden erinnern, den es ihr schenkte, ihre Mutter in ihrem atemberaubenden, strahlenden Gewand zu sehen.
Der Besuch der Mutter
von Clara
Als Krankenschwester auf der Intensivstation bekomme ich alles zu sehen: Verkehrsunfälle, Herzinfarkte und Verletzungen, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Dennoch haben sich einige Geschichten tief in meine Erinnerung eingegraben. Besonders an die folgende erinnere ich mich gut, denn dabei ging es um jemanden aus meiner Familie. Meine Nichte Jessica war 26 und Lehrerin an einer Sonderschule. Sie besuchte uns über das Labour-Day-Wochenende auf der Farm. Wir freuten uns alle sehr, weil ihre Familie gerade erst ein schwarz-weiß geflecktes Pferd namens Dawn gekauft hatte, das die Kinder liebten. Enkel, Nichten, Neffen und alle anderen aus der Familie waren zusammengekommen, um den Feiertag miteinander zu begehen und mit dem neuen Pferd zu spielen.
Irgendwann im Laufe des Festes beschlossen ein paar Kinder, auf Dawn zu reiten. Ich hatte nichts dagegen, dass alle ihren Spaß hatten, aber mein besseres Wissen sagte mir, dass das ein riskantes Unterfangen war, insbesondere da Jessicas Familie das Pferd damals erst seit einem oder zwei Tagen besaß.
Jessica, eine erfahrene Reiterin, aber auch ein wenig dickköpfig, erklärte sich bereit, Dawn zuerst zu reiten, damit ich beruhigt sein könnte, wenn es die anderen ihr nachmachten. Ich erinnerte Jessica daran, dass sie zwar eine sehr gute Reiterin, aber nun doch ein paar Monate lang nicht geritten und das Pferd gerade eben erst angekommen war. Sie kannte Dawns Eigenarten noch nicht.
Unerschrocken stieg Jessica aufs Pferd, das immer aufgeregter wurde. Als sie die Zügel in die Hand nahm, scheute es und raste davon. Jessica wurde abgeworfen und landete in einem Feld. Ich rannte zu ihr und fand sie bewusstlos. Ich erinnere mich deutlich daran, dass eines der Kinder flüsterte: »Ich glaube, sie ist tot!«
Als der Rettungswagen kam, war sie immer noch bewusstlos, aber sobald die Sanitäter sich mir ihr befassten, kam sie wieder zu Bewusstsein. Das Problem war jedoch, dass sie sich nicht mehr erinnern konnte, wo sie war oder was passiert war. Sie konnte sich an gar nichts mehr erinnern.
Als Jessica in der Notaufnahme ankam,
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