Am Ende ist da nur Freude
Erlebnissen, so seltsam das klingt. Es hat meinen Glauben gestärkt, dass das Leben ewig ist und dass wir nach dem Tod weiterleben. Haben Sie so etwas wirklich schon einmal gehört?«
»Ja, das habe ich«, antwortete ich.
»Dass ein lebender Mensch tatsächlich jemanden von der anderen Seite sieht?«
»Ja, wirklich, Visionen auf dem Sterbebett kommen recht häufig vor.«
»Wirklich?!« Linda klang überrascht.
»Es stimmt«, versicherte ich ihr. »Aber Leute wie Sie sprechen normalerweise nicht darüber.«
»Leute wie ich?«
Ich erklärte ihr, dass ich damit ihren Widerstand meinte, ihr Erlebnis jemandem zu erzählen, und wies sie daraufhin: »Sie haben es mir wahrscheinlich erzählt, weil ich beruflich mit Tod und Sterben zu tun habe.«
»Wenn Sie das je jemandem erzählen, dann versprechen Sie mir, dass Sie meinen Namen nicht nennen.«
Ich versprach ihr, ihre Bitte zu respektieren, betonte aber, dass ihre Geschichte anderen helfen könnte. Linda lächelte; ihr gefiel diese Vorstellung.
»Es ist wirklich schade, dass Ihnen niemand gesagt hat, wie normal diese Visionen sind, als Ihre Tante starb«, fügte ich hinzu. »Wenn Sie das zuvor schon einmal von jemand anderem gehört hätten, wären Sie sich vielleicht nicht so verrückt vorgekommen, als Sie das erlebt haben. Visionen auf dem Sterbebett kommen in Gegenwart von Krankenschwestern, Priestern, Ärzten und sogar Anwälten vor. Es könnte den Leuten ein Trost sein, wenn sie das wüssten.«
Linda verstand und erlaubte mir, ihre Geschichte weiterzuerzählen, solange ich mich an mein Versprechen hielte, sie nicht bei ihrem richtigen Namen zu nennen.
Was man im Medizinstudium nicht lernt
von Jack
Nach dem Abschluss meines Medizinstudiums wusste ich nicht so recht, für welchen Zweig der Medizin ich mich entscheiden sollte. Dann machte ich mein Onkologie-Praktikum an einer Klinik in Michigan – und etwas ließ mich nicht mehr los. Patienten zu sehen, die so schwer krank waren, war schwierig, aber wenn es den Onkologen gelang, ihnen noch etwas Zeit zu schenken oder ihre Lebensqualität zu verbessern, dann war das wunderbar. Und wenn ich erlebte, wie Patienten nach einer Remission ihren normalen Alltag wieder aufnehmen konnten, dann erschien mir die Onkologie als die beste Art der Medizin. Ich kam zu dem Schluss, dass hier meine Berufung lag.
Arzt in einer Familie zu sein, ist eine interessante Sache. In meiner Familie bin ich immer noch einfach Jack, und mein Status als Mediziner bringt mir keinerlei Vorteile. Und es ist witzig, wenn das Hausmittelchen der Mutter mehr gilt als wissenschaftlich getestete Medikamente. Das sorgt dafür, dass man bescheiden bleibt und mit beiden Beinen am Boden.
Als ich zur Onkologie ging, wäre mir niemals in den Sinn gekommen, dass ich dort einmal jemanden aus meiner eigenen Familie sehen würde, unheilbar krank. Als ich also erfuhr, dass mein jüngerer Bruder Mike mit gerade einmal 41 Jahren Krebs hatte, fiel es mir sehr schwer, mich wie ein Arzt zu verhalten und nicht wie der traurige Kerl, der Angst hat, seinen Bruder zu verlieren.
Mike war auf dem Höhepunkt seines Lebens; er liebte seinen Beruf und hatte großen Erfolg mit seinen Immobilien-Investments. Es schien unfassbar, dass sein Krebs bereits fortgeschritten war, und meine Familie konnte sich kaum der Tatsache stellen, dass es möglicherweise sogar schon zu spät war. Ich versuchte, Hoffnung zu bewahren, aber ich wusste zu viel.
Als mein Bruder kränker wurde, baten mich Freunde und Familie um neueste Informationen über seinen Zustand, aber ich war nicht sein behandelnder Arzt. Sie nahmen einfach an, ich wüsste, was zu tun ist, oder mir fiele noch eine neue Behandlungsmöglichkeit ein. Es war sehr seltsam: Nun hatte ich plötzlich die Anerkennung, die ich mir immer von meiner Familie gewünscht hatte, aber auf diese Weise hatte ich sie wirklich nicht gewollt. Ich wollte der sein, der den anderen zeigt, wie man einen Schnitt am besten versorgt, oder darüber entscheidet, ob bei meinem Neffen die Mandeln entfernt werden sollten – aber nicht der, der den anderen erklärt, dass Mike sterben würde. Mit ansehen zu müssen, wie mein jüngerer Bruder dies alles durchmachen musste, zerriss mir das Herz.
Eines Tages kurz vor dem Ende saßen meine Mutter und ich bei Mike. Er war still, schlief aber nicht. Plötzlich fing er an zu reden, als stünde jemand direkt vor ihm (er sprach eindeutig weder mich noch unsere Mutter an). Mam und ich schauten uns an, und
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