Am Ende ist da nur Freude
ihn, ob
ich etwas tun könne, um ihm dabei zu helfen, und er sagte: »Nein, Liebes. Ich bin fast ganz fertig.«
Danach sagte ich nichts mehr, denn ich spürte, dass Großpapa mit einer Welt zu tun hatte, die ich nicht sehen und an der ich keinen Anteil haben konnte. Als ich ihm sagte, dass er mir sehr fehlen würde, erwiderte er: »Dir und der ganzen übrigen Familie wird es wieder gut gehen. «
Dann wandte er sich an seinen Bruder: »Ich weiß, was du hier willst.« Keine von uns tat diese Worte als unsinnig ab (Gott sei Dank hatte Hilda es uns erklärt), aber Freunde, die vorbeikamen, oder andere Familienangehörige schoben sie auf die Medikamente, die er bekam. Ich wusste, dass dem nicht so war.
Als mein Großvater schwächer wurde, sprach er immer seltener. In seinen letzten Lebensstunden sagten wir ihm, wie sehr wir ihn liebten, und kurz vor seinem Tod sagte ich: »Sieht ganz so aus, als sei dein Haus in Ordnung.«
Er lächelte. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass ich etwas erlebt habe, was über diese Welt hinausgeht.
Abendessen mit einem Engel
von Matt
Mein Bruder Brian war erst 35 Jahre alt, als er mit Aids zu Hause im Sterben lag. Er war in seinem Beruf sehr erfolgreich gewesen. Als Ingenieur für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik hatte er eng mit Architekten zusammengearbeitet und Systeme entwickelt, die das Erscheinungsbild von Gebäuden nicht beeinträchtigten … aber das war jetzt Vergangenheit. Der Zustand meines Bruders verschlechterte sich rasch. Es war eine intensive Zeit, denn ich wusste, dass er nicht mehr lange da sein würde.
Eines Abends fühlte sich Brian ganz gut und fragte, ob wir nicht chinesisch essen gehen könnten. Seine Krankenschwester Gloria und ich wussten, dass es nicht leicht werden würde, ihn ins Restaurant zu bringen, andererseits war es womöglich das letzte Mal, dass wir ihn überhaupt irgendwo hinbringen konnten. Er hätte sich ja alles Mögliche wünschen können, aber er wollte in ein chinesisches Restaurant, und wir waren fest entschlossen, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Als wir im Restaurant Platz genommen hatten, bestellten wir verschiedene Gerichte, damit Brian von allem probieren konnte. Ich schnitt ihm
die Speisen klein wie einem Kind und half ihm beim Essen. Er war sehr schwach, freute sich aber, wieder einmal außer Haus zu sein. Dann wandte er sich plötzlich aus heiterem Himmel um und streckte den Arm aus, als wolle er abseits des Tischs nach etwas greifen. Ich schäme mich zuzugeben, dass ich ihn zuerst behandelte wie ein abgelenktes kleines Kind und ihm sagte: »Da ist nichts, dein Essen ist hier.« Ich stand auf und drehte ihn sanft wieder zum Tisch hin, aber er drehte sich sofort wieder weg und schaute ganz gezielt in eine bestimmte Richtung.
»Brian, was ist los? Wohin schaust du?«
Er war völlig erstarrt, aber dann strahlte er übers ganze Gesicht. Ich schaute verstohlen in die Richtung, in die er meiner Meinung nach blickte, konnte aber nichts sehen. Was um alles in der Welt bekam ich da nicht mit?
»Was ist los?«, wiederholte ich.
»Schau mal!«, rief er. »Sie ist ganz in Weiß. Ich habe noch nie so ein Weiß gesehen.«
»Wer? Wer ist ganz in Weiß?«
» Sie! «
»Aber da ist niemand, Brian. Du schaust die Wand an, und die ist noch nicht einmal weiß.«
Zum Glück griff Gloria ein und sagte: »Toll! Erzähl uns mehr über sie.«
»Sie ist ein Engel – ein richtiger Engel.« Ich bemerkte, dass das Gesicht meines Bruders plötzlich ganz entspannt war, aber sein Verhalten war mir irgendwie peinlich. Immerhin waren wir in einem Restaurant, und er behauptete,
er sehe einen weiblichen Engel ganz in Weiß. Ich konnte immer nur denken: Bitte schau doch genau hin!
Gloria legte ihre Hand auf meine. »Das ist okay«, sagte sie, »so etwas passiert, wenn die Leute gehen. Sie sehen Engel und haben andere Visionen. Da braucht man keine Angst zu haben, und es braucht einem auch nicht peinlich zu sein. In der Pflege und im Hospiz erleben wir so etwas ständig.«
Während des ganzen restlichen Essens schaute Brian still den Engel an. Hin und wieder sah ich mich um, aber es schien keinem aufzufallen, was mein Bruder machte. Und wenn es doch jemand bemerkt haben sollte, dann machte es ihm offensichtlich nichts aus.
Ich wandte mich an Gloria und fragte: »Glaubst du, dass Sterbende am Ende ihres Wegs, wenn die Zeit zu Ende geht, etwas suchen? Vielleicht wissen sie nicht, was passiert ist, aber wenn sie am Ende nicht mehr weiter
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