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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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ich kann kaum etwas erkennen.«
    »Was noch?«
    »So wunderschön«, wiederholte er, als ich näher zu ihm hinging, »blendend hell«, flüsterte er.
    Das waren Jarrods letzte Worte. Er starb wenige Minuten später, wirkte völlig gelöst und in tiefem Frieden.
    Ich war dennoch verblüfft und aufgewühlt. Von Krankenschwestern hatte ich bereits gehört, dass ihre Patienten Visionen, Engel und helle Lichter sahen, bevor sie starben, aber ich war trotzdem verunsichert. Bei meiner weiteren Hospizarbeit merkte ich jedoch schnell, dass solche Ereignisse untrennbar zur Sterbebegleitung dazugehören.
    Eines Tages, viele Jahre nach Jarrods Tod, war ich bei meinem Vater. Aus irgendeinem Grund verspürte ich den Drang, ihn noch einmal zu bitten, mir zu erzählen, woran er sich im Zusammenhang mit dem Unfall meiner Mutter noch erinnern konnte.
    »Sie fuhr von einer Freundin nach Hause und muss im Regen die Kontrolle über den Wagen verloren haben«,
erzählte er. »Wir haben damals in den Bergen gewohnt, und bei Sturm konnten die kurvenreichen Straßen ganz schön gefährlich werden.«
    »Und die Scheinwerfer des entgegenkommenden Autos haben sie geblendet?«
    »Nun, um ehrlich zu sein, wir wissen nicht, ob es überhaupt ein entgegenkommendes Auto gegeben hat.« Mein Vater schwieg und seufzte. »Ich habe mit dem ersten Rettungssanitäter gesprochen, der am Unfallort war, und er sagte, deine Mam habe immerzu von einem blendend hellen Licht gesprochen. Er nahm einfach an, dass das die Scheinwerfer eines anderen Autos gewesen sein müssen.«
    Ich dachte wieder an Jarrod und erinnerte mich an den Ausdruck tiefen Friedens auf seinem Gesicht, als er das Licht sah, außerdem erinnerte ich mich daran, dass er immer wieder das Wort »blendend« erwähnt hatte. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, auf meine lebenslange Suche eine Antwort zu bekommen. Vielleicht hatte meine Mutter gar keine Autoscheinwerfer gesehen – stattdessen schaute sie in dasselbe wunderschöne strahlende Licht, das auch Jarrod gesehen hatte, als er starb.

Überraschender Besuch
    von Sofia
     
    Mein Vater und ich sind beide Sozialpädagogen. Ich arbeite in einem Krankenhaus, und er war der Geschäftsführer einer Beratungseinrichtung für ambulante Patienten. Ich bin sehr stolz auf meinen Vater, der im Weißen Haus für seine Leistungen auf dem Gebiet der psychosozialen Gesundheitsversorgung geehrt wurde. Obendrein war meine Mutter eine angesehene Professorin, die in Mathematik promoviert hatte.
    Können Sie sich vorstellen, wie es ist, mit einer Mutter aufzuwachsen, die einen Doktor in Mathematik hat? Es war intensiv, aber ich muss sagen, dass sie eine großartige Lehrerin war, mit der Hausaufgaben Spaß gemacht haben. Ich wäre gern nach ihr geraten, habe aber leider das Mathe-Gen nicht geerbt. Stattdessen war für mich eher mein Vater das Vorbild, und da ich mich in Gegenwart anderer Menschen immer sehr wohl fühlte, dachte ich, dass Sozialpädagogik das Richtige für mich sei.
    Das Leben war schön, bis bei meiner Mutter ein aggressiver Krebs festgestellt wurde. Sie begann eine Chemotherapie, verlor alle Haare und litt unter schrecklicher Übelkeit.
Viele Monate vergingen, und sie zeigte keinerlei erfolgversprechende Ergebnisse. Es brach uns das Herz mit anzusehen, wie sehr sie leiden musste, aber der Kirche haben wir uns nicht zugewandt. Zwar waren wir in unserer Familie alle Christen, doch eigentlich waren wir nicht religiös und besuchten kaum einmal einen Gottesdienst. Wir versuchten einfach, gute Menschen zu sein, und manchmal beteten wir auch zusammen.
    Schließlich machte Mams sich drastisch verschlechternder Zustand uns klar, dass die Chemotherapie nicht anschlug. Die Ärzte waren ratlos und sagten, sie hätten getan, was sie konnten. An diesem Punkt entschied sich Mam für eine ambulante Hospizpflege bei uns zu Hause.
    Ein paar Wochen später fiel meinem Vater und mir auf, dass Mam sich sehr unruhig verhielt. Bei einem ihrer täglichen Besuche fragte mein Vater die Krankenschwester: »Warum wirkt meine Frau in letzter Zeit so unruhig?«
    »Das ist ganz normal«, erklärte die Schwester. »Wir nennen es ›terminale Agitiertheit‹. Sie tritt am Ende des Lebens manchmal auf.«
    »Davon habe ich schon gehört«, warf ich ein, nickte meinem Vater zu und versuchte, eher die Tochter als die Sozialpädagogin zu sein.
    Während der nächsten paar Tage verlor Mam immer wieder das Bewusstsein. Aber sie wirkte nicht, als ob sie im Frieden mit sich und der Welt

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