Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
pusten. Der Mann trägt einen altmodischen Anzug, wirkt mit den luftgefüllten Backen wie ein Blasmusiker, den sein Orchester im Stich gelassen hat. Wacklig stelle ich die Musik aus, erhöhe die Kaufrequenz, setze all meine Hoffnung in das übertünchende Pfefferminzaroma des Kaugummis. Ich fixiere ihren Waffengürtel. Wäre ich nüchtern, könnte ich sie fragen, ob sie in letzter Zeit von ihrer Pistole Gebrauch machen musste, und vielleicht wüsste sie Näheres über die Schüsse in den vergangenen Tagen. Vielleicht könnte sie mich beschützen.
Ich bleibe still und kaue, kaue, bis der Orbit zerfasert. Und während sie ihre Pflicht tut, ihren Satz aufsagt, kotzt der Hund auf dem Beifahrersitz in den Fußraum.
»Oha«, raunt die Polizistin. »So eine Sauerei.«
»Ja«, stammle ich, darauf bedacht, so wenig Atem wie möglich freizulassen.
»Wir sind auf dem Weg zum Tierarzt. Es geht ihm schon den ganzen Tag schlecht und ich bin zu spät dran.«
Sie sieht uns an. Lio gibt alles, seine Knopfaugen wirken so erbärmlich und krank, dass die Polizistin gar nicht anders kann, als zu sagen: »Na, dann mal los. Er sieht ja wirklich ganz elend aus.«
Ich nicke, drehe den Schlüssel im Schloss, kupple vor lauter Adrenalin falsch, der Motor krächzt.
»Aber bitte trotzdem schön vorsichtig«, mahnt die Polizistin.
»Natürlich«, ich lächle beschwichtigend.
Wir fahren zurück auf die Straße, die Kotze beißt in der Nase. Hätte nicht gedacht, dass Glück so riecht.
12
Eindringling. Es ist das erste Wort, das mir einfällt, als ich auf den Parkplatz fahre und Valentin sehe. Er hat die Arme in die Hüfte gestemmt und guckt in den Himmel wie ein ferner Besucher, der auf sein Mutterschiff wartet. Ich gehe zu ihm.
»Ich habe mir überlegt, eine Szene zu machen.«
»Tut mir leid, Valentin.«
»Schon gut … das hier ist also der höchste Bahnhof der badischen Schwarzwaldbahn.«
»Anscheinend schon, ja.«
»Du siehst gestresst aus. Was ist los?«
»Hippies, Bullen, kotzender Hund.«
Wir lachen, nehmen uns in den Arm.
»Du riechst nach Spaß.«
»Ich weiß.«
Eine Lok pest vorbei Richtung Bodensee.
»Willst du sofort nach Hause?«
»Warum?«
»Wir könnten noch was trinken gehen?«
»Maximilian Flieger. Mein Freund, der Trinker.«
»Hast du Lust oder nicht?«
»Na gut, es sind ja Sommerferien.«
Valentin ist blass. Zwar habe ich an der Tankstelle mit Papiertüchern und Wasser das Gröbste ausgewischt, doch der Geruch ist hartnäckig. Ich parke seitwärts ein, die Reifen reiben am Bordstein entlang. Valentin stöhnt.
»Ich glaube, ich muss auch gleich kotzen.«
Bali, steht auf dem Schild. Früher war ich oft hier, jedes Wochenende eigentlich. Ab und zu spielte eine Punk-Band. Ich weiß noch, dass einmal Neonazis aus dem Nebenort Roland, den Besitzer, krankenhausreif geprügelt haben, weil der ihre Faschomusik nicht spielen wollte. Ich war an dem Abend nicht da, hörte später nur von den Stammgästen, dass keiner dem Roland beigesprungen war. Aber die Stammgäste hatten ja auch nichts unternommen.
Das Glas der Ladentür ist gesprungen, das speckige Holz darunter übersät von Aufklebern, gleich mehrere Strichmännchen entsorgen Hakenkreuze. Außer uns gibt es nur noch zwei weitere Gäste, langhaarige Mittvierziger, die den Tischkicker malträtieren. Der eine dreht seine Stürmerstange wie ein Wahnsinniger, bis der Ball quer durch den Raum fliegt und Valentin vor die Füße rollt. Lächelnd hebt er die kleine Kugel auf und gibt sie dem Typen zurück.
Der fragt: »Wir gegen euch?«
»Fußball ist nicht meins«, entgegnet Valentin.
Sie sehen ihn verständnislos an.
Als wir dann auch noch Weißweinschorle mit Eis statt Bier bestellen, fallen sie kopfschüttelnd vom Glauben ab. Eine Frau mit starkem Überbiss bedient uns. Ich frage nach Roland. Sie sagt, dass er letztes Jahr nach Berlin gezogen ist. Ich denke, dass das Quatsch ist, bei den Massen an Bars, die es da schon gibt.
Wir nehmen unsere Getränke mit nach draußen, setzen uns an einen der schmutzigen Tische, ein Mosaik aus Kerzenwachs, Brand- und Alkoholflecken, eine klebrige Reminiszenz an vergangene Sommerabende. Aus dem geöffneten Fenster klappert ein dominantes Schlagzeug aus der Stereoanlage, das Geräusch des Kickers.
Unaufgefordert bringt die Barfrau eine Tasse mit Leitungswasser für Lio. Es interessiert ihn nicht.
»Wir nehmen ein Taxi und holen das Auto morgen«, schlage ich vor.
»Ich trinke höchstens ein Glas.«
Valentin nippt an
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