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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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Mund.
    »Wieso?«
    »Das Dach ist an zwei Stellen undicht und ich muss es flicken. Maria und Pelle sind in der Schule und Anton hat Höhenangst. Also?«
    Maria sieht mich warm an. Jan Kranig und ich auf dem Dach. Mit Hämmern und Nägeln und viel Luft nach unten.
    »Okay«, antworte ich und frage mich, woher er weiß, dass ich ein bisschen lebensmüde bin.
    Der Hahn kräht mir hinterher, als ich vom Hof fahre. Eben habe ich noch Watte aus dem Bad eingesteckt, pule mir jetzt Bausche davon in die Ohren und drehe die Musik laut. Mit hundert Sachen fliege ich durch das Waldstück, dröhnende Bassgitarren kribbeln mir über den Rücken. Kurz schließe ich die Augen. Diesmal höre ich keinen Knall.

9
    Auf dem nassen Terrassenholz liegt eine Amsel. Ich öffne die Fenstertür. Sie flattert davon. Ich atme tief ein, frische Luft strömt in meine Lungen. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so bewusst und lange geatmet habe.
    Gähnend drücke ich mich durch die Kanäle. Auf VIVA nicken die Massiven Töne mit den Köpfen. Retro-Charts steht am oberen Bildrand und durch das untere Drittel schieben sich ohne Unterbrechung SMS von mitteilsamen Jugendlichen. Ich kann es kaum glauben, dass das Musikfernsehen einmal auf der Höhe der Zeit, Deutschrap eine intensive Phase war. Damals hießen Freunde Homies und Jan Phillip Eißfeldt war noch kein Sänger. Wir schrieben schlechte Texte und »rappten« sie später in Freisprechanlagen im Neubaugebiet von Villingen-Schwenningen oder auf Anrufbeantworter. An den Wochenenden soffen wir auf Grillhütten-Partys. Ein Mädchen stolperte aus dem Wald, die Vans-Slipper mit Kotze besprenkelt. Sie rief: »Ich habe meine Unschuld verloren.« Ihr fahles Gesicht zuckte seltsam im Schein des Lagerfeuers und irgendein Älterer, einer von denen, die den Absprung verpasst hatten, antwortete: »Dann geh sie suchen.« Alle lachten, auch wir.
    Das war im letzten Spätsommer mit Konrad, dem Spätsommer, in dem Maria und ich uns gegenseitig entjungferten. Alles in allem mit die glücklichste Zeit. Kurz danach starb Jans Mutter an Krebs, wie Jahre zuvor auch sein Vater. Sie hatte ihn im Kopf, er an der Prostata. Ich ging nicht zu ihrer Beerdigung, es wäre mir verlogen vorgekommen.
    Das 13. Schuljahr begann und Jan machte sich aus dem Staub. Vielleicht schickte er Maria Postkarten. Wahrscheinlich vermisste sie ihn. Ich fing an, mich für Britpop zu begeistern.
    Nelly Furtado steigt aus einem Helikopter. Noch vor dem ersten Refrain donnert eine Amsel gegen das Fenster. Sie ist sofort tot. Ich hole ein Kehrblech. Ein paar Federn kleben am Glas.
    Ich trinke Anti-Stress-Tee. Es schmeckt scheiße. Mein Kopf drückt und immer wieder flackern weiße Punkte über die Netzhaut, als ob ich eine Schneekugel wäre, die pausenlos geschüttelt wird.
    Zittrig träufele ich Kreislauftropfen auf ein Zuckerstück und lege mich flach auf den Fußboden. Zwei Stunden noch, dann stehe ich auf dem Dach. Mir kommt in den Sinn, dass Maria das von Anfang an so geplant hat, dass sie versucht, alles wieder ins Lot zu bringen. Vielleicht stecken meine Eltern auch mit drin, denn wenn ich es mir recht überlege, haben sie seit Jahren keine Reise unternommen, ist mein Vater kein Freund des Mittelmeers in der Hauptsaison.
    Peng!
    Der Durchzug hat die Flurtüre ins Schloss geknallt.
    Das Wasser ist so kalt, dass ich hecheln muss und meine Lippen blau sind, als ich mich vor dem Spiegel abtrockne. Mit dem Handtuch rubble ich sie wieder rot. Ich kann nicht behaupten, bereit zu sein, aber es ist Zeit. Teilnahmslos lege ich die Rückbank mit Zeitungspapier aus und rufe nach Lio. Ich kann heute nicht auch noch das Gefühl gebrauchen, jemanden zurückgelassen zu haben. Auf die Plätze, fertig –
    Mit nacktem Oberkörper und spitzem Hammer am Gürtel klappt Jan die Leiter auf. Gemeinsam positionieren wir sie vor der Hauswand. »Hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich kommst«, sagt er und reibt sich die linke Brustwarze, knapp darunter hat ihn eine Mücke gestochen. Es sieht ein bisschen so aus, als wüchse dort ein dritter Nippel, wie bei Christopher Lee alias Francisco Scaramanga, dem Gegenspieler von James Bond in Der Mann mit dem goldenen Colt.
    »Und ich hab gedacht, es wäre gut, mal wieder mit den Händen zu arbeiten.«
    Anton kommt angelaufen, ohne Schuhe, die Schritte steif. Seine Frisur wirkt elektrisch aufgeladen und die Nase ist unter einem dicken Cremefilm verschwunden. »Ich fang euch auf, wenn ihr fliegt«, verspricht er. Sollten

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