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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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Sprung zur Seite und ich fahre in einer quietschenden Schleife vom Parkplatz, das Auto ist so schmutzig wie zuvor.
    Fünf Minuten später halte ich in einer Einfahrt unweit des Industriegebiets.
    »Gib mir bitte eine Zigarette.«
    Valentin schmeißt mir die Schachtel an den Kopf.
    »Bist du jetzt komplett übergeschnappt, Max?«
    Ich drücke den Anzünder nach unten, antworte: »Ich wollte nicht schon wieder gar nichts tun.« Ratlos starrt er mich an. Ich stoße Rauch durch die Nase aus und erzähle Valentin von Amerika.
    Nach dem Abitur war ich als Au-pair in Boston.
    Meine Gastfamilie war furchtbar anstrengend. Die Eltern, Nathan und Susan, beide Ärzte, waren so gut wie nie zu Hause. Dean und Sam, ihre Söhne, nahmen mich komplett in Beschlag. In den ersten Monaten kam ich nie weiter als bis zu ihrem Kindergarten. So viel geflennt wie in dieser Zeit hatte ich vorher nie.
    Erst als Sam ein Legostück verschluckte und vor Angst Nasenbluten bekam und ich vorsorglich mit ihm in das Krankenhaus fuhr, in dem Nathan und Susan Stationsärzte waren, begriffen wohl alle, dass es zu viel war. Sie machten mir keine Vorwürfe, gaben mir zwei Wochen frei und engagierten eine Nanny für die Zeit. Man muss mir angesehen haben, wie fertig ich war.
    Ich fuhr zu Andreas, einem Bekannten meiner Eltern, nach New York, um runterzukommen. Er war dort Kulturreferent am Goethe-Institut.
    Die meiste Zeit pennte oder las ich. Ansonsten lief ich durch die Stadt.
    In der zweiten Woche setzte ich mich abends allein in eine Bar in der Lower Eastside, unterhielt mich mit einer Frau an der Theke, die deutlich älter war als ich. Sie gab mir Getränke aus, die ich sonst nicht bekommen hätte. Später lud sie mich ein, sie in ihr Appartement zu begleiten. Ich lehnte ab. Ein Fehler. Auf dem Heimweg passierte es.
    Ich ging zu Fuß, weil es so eine warme Nacht war, wollte die U-Bahn ein paar Blocks weiter nehmen. Alles war schön, die Lichter, der Geräuschpegel, bis ich an einer Seitenstraße vorbeikam, so einer dampfenden, wie man sie aus den Filmen kennt. Dort sah ich sie.
    Einen Jungen und ein Mädchen, kaum älter als ich. Er drückte sie an die Wand und hielt ihr den Mund zu. Sie zappelte und er schlug ihren Kopf gegen den Beton. Bewusstlos fiel sie in sich zusammen. Ich stand nur da, angestrahlt vom Licht der Laterne. Ich weiß noch, wie viele Falter um die Quelle kreisten, wie ausgeliefert ich mir vorkam. Schließlich bemerkte der Junge mich. Er lachte. Ich war wie festgefroren, wünschte mir eine Pistole, um ihn aufzuhalten. Aber außer Zündhölzern und Kaugummis hatte ich nichts in den Hosentaschen. Er kam näher und näher. Dann wachte das Mädchen überraschend schnell wieder auf, zuckte panisch und versuchte zu schreien, brachte aber nur ein paar gurgelnde Laute hervor, um ihren Kopf hatte sich eine dunkle Pfütze gebildet.
    Der Junge zückte ein Messer. Es war das größte Messer, das ich jemals gesehen habe, mit scharfen, dreckigen Zacken. Er machte eine vertröstende Geste in meine Richtung und ging erneut zu ihr. Ich konnte mich einfach nicht bewegen, dass ich mir in die Hosen pisste, war alles, was ich spürte. Er riss das Mädchen an den Haaren ein Stück über den Boden und schlug ihr mit der Faust mehrmals ins Gesicht. Pengpengpeng. Ich hörte etwas dumpf platzen. Sie bewegte sich nicht mehr. Dann sah er mich wieder an, wackelte mit der Klinge und rief: »You wanna play?«
    Und da ging es auf einmal, rannte ich weg. Mehrere Blocks hetzte ich, ohne mich umzuschauen, irgendwo erwischte ich ein Taxi. Ich zitterte und stank nach Pisse.
    In den übrigen Tagen verließ ich das Appartement nicht, schaute stündlich Nachrichten, doch das Mädchen tauchte nicht auf. Zwar wunderte sich Andreas, ließ mich aber in Ruhe. Einige Male war ich kurz davor, 911 zu wählen, aber ich konnte ja nicht mal den Tatort genau bestimmen und hatte viel zu viel Schiss, selbst wegen unterlassener Hilfeleistung oder so etwas bestraft zu werden. So kontaktierte ich nur die Au-pair-Organisation und schob Heimweh vor.
    Ich flog zurück nach Deutschland, erzählte keinem was davon. Meine Eltern und Maria machten sich Sorgen, denn eine Zeitlang sprach ich kaum. Ihnen zuliebe ging ich zu einer Therapeutin, der ich auch nichts erzählte.
    Es dauerte, aber irgendwann arrangierte ich mich damit.
    Ich schnippe die Kippe aus dem Fenster.
    Valentin sinkt in seinem Sitz zurück.
    »Scheiße, Max.«
    Er bringt die Sache auf den Punkt. Ich bringe uns zurück auf Spur.
    Ein

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