Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
neben mir im Scheinwerferlicht der Landebahn wirbelt. Dann hebe ich wieder ab.
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Nach etwa 5200 Meilen:
New York City, Weltstadt an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika. Ungefähr acht Millionen Menschen leben hier. Das wären 7 99 9 500 Menschen mehr als in Königsburg.
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Im Flughafen stehen überall Beamte mit Maschinengewehren. Ich wüsste gern, ob die Bedrohung akut ist oder man generell eingeschüchtert werden soll. Einer der Security Guards hat sich vor den Restrooms aufgebaut, lässt mich im Vorübergehen nicht aus den Augen und spricht in seinen Hemdkragen. Er verunsichert mich dadurch so sehr, dass ich mich nicht reintraue, obwohl ich es schon seit dem Landeanflug kaum zurückhalten kann.
Hinter dem Kontrollpunkt erspähe ich das nächste Klo. Du schaffst es, sage ich mir. Dein Körper ist eine Wüste, Max.
»Good Morning, Sir.«
»Good Morning«, antworte ich, darum bemüht, meine Stimme möglichst entspannt klingen zu lassen. Ich bin so gierig auf das Pissoir, dass ich ständig über den sauber gescheitelten Mr Bowman, der vor mir in seinem Kasten sitzt, hinweg in Richtung Klotür blicken muss.
»Why do you want to travel to the USA?«
Ich will einfach nur aufs Klo.
»For tourist purposes. I always wanted to see New York in the pre-Christmas season.«
Mr Bowman blättert in meinem Reisepass, betrachtet das Foto, auf dem ich aschfahl bin.
»Will it be your first trip to the US, Mr Fliga?«
Ich kann’s nicht länger halten. Gib mir die leere Wasserflasche, die da neben dir steht. Hab ein Herz …
»No, it’s my second time.«
»When was the first time?«
»Ten years ago.«
»How long will you stay?«
»A couple of days.«
»And where will you stay?«
Ich krame nach dem Zettel mit der Adresse, in der Bewegung lösen sich ein paar Tropfen, lese ab und hoffe, das war’s.
»Are you nervous?«
»Oh … ahm … well, I’m excited … I mean it’s New York and …«,
and I have to go to the fucking toilet. Immediately, Mr Bowman, Sir!
Endlich greift er zum Stempel und drückt ihn in meine Papiere.
»Enjoy your stay, Mr Fliga.«
Die Triberger Wasserfälle sind ein Witz gegen das, was Sekunden später endlich aus mir in die Rinne stürzt.
Draußen fällt Eisregen. Wieder komme ich aus Griechenland, wieder bin ich viel zu dünn gekleidet. Ich reibe meine Hände und winke ein Taxi heran.
»Flatbush Avenue, please.«
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Ich laufe durch den Teil des Parks, der im Artikel beschrieben wurde, alle paar Meter versucht man, mir etwas zu verkaufen, meistens wirklich Crack. Kurz glaube ich Suzie zu erkennen.
Ein Junge, der mit Sicherheit nicht älter als sechzehn ist, bietet mir Sex an. Seine Hände haben offene Stellen und sind blau von der Kälte. Ich gebe ihm zwanzig Dollar und frage, vor wem man besonders viel Angst haben sollte, wer hier den Ton angibt.
»Dwayne.«
»And where I can find him?«
»Just turn around.«
Ich drehe mich um und sehe ihn, ungefähr zwanzig Meter entfernt. Dwayne ist weiß und sieht aus wie ein Durchschnittstyp, wie ein Casey. Ein Mädchen kommt zu ihm, sie sagt etwas, was ich über die Entfernung nicht hören kann. Er schüttelt den Kopf und sie fängt an zu betteln, will ihn anfassen. Grob stößt er sie von sich, droht mit den Händen, woraufhin sie weinend davonstolpert. Ihre High Heels wirken instabil. Dwayne zündet sich eine Zigarette an und sieht in meine Richtung, unsere Blicke treffen sich kurz. Ich frage den Jungen: »How old are you?«
Als die Antwort ausbleibt, drehe ich mich um. Der Junge ist weg. Ich wende mich wieder Dwayne zu, doch auch er ist verschwunden. Casey, Dwayne, wie auch immer. Jetzt weiß ich, dass es dich gibt. Und schon bald wirst auch du wissen, dass es mich gibt.
Wenig später sitze ich wieder im Taxi.
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Mein Blick rauscht vertikal an den Fassaden entlang. Manhattans Schluchten haben nichts mit denen auf Kreta gemeinsam. Die Wände sind glatt und durchsichtig und stecken voller Leben. Vielleicht hört man hier nie kein Geräusch.
Die Beschreibung des Every Season Hotel klang gut im Netz. Ein Haus aus dem frühen 20. Jahrhundert, mit verwinkelten Zimmern und veganem Restaurant, betrieben von Leuten in meinem Alter. Nach dem Fleischüberschuss und den Altersunterschieden der letzten Monate also vielleicht genau der richtige Ort. Ich bin froh, Andreas, der mittlerweile in Oslo lebt, nicht besuchen zu müssen.
Der Page heißt James, trägt statt Uniform und Hütchen einen schwarzen Rollkragenpullover und ein
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