Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
Flaschen Sekt. Haben Mama und Papa gespendet. Ihre einzige Bedingung ist, dass wir nicht das Haus vollkotzen«, sagt Timon und zündet sich eine Zigarette an.
»Ich denke, das kriege ich hin«, sage ich.
»Ich bin noch unsicher, was mich betrifft. Schließlich bin ich zehn Jahre jünger als du und noch voller Energie.«
Gegen 21.30 Uhr trudeln die Gäste ein, die meisten zu Fuß. Ein Junge rauscht mit seinem Roller an und bremst eine Grube in den Sand. Ich sehe das verstauchte Bein des unglücklich hineingetorkelten Mädchens schon vor mir und fühle mich sehr alt.
Für meine Begriffe sind die meisten Partygäste viel zu warm gekleidet, ein Mädchen trägt sogar Handschuhe, dabei hat es immer noch mindestens 15 Grad. Einen Teil von ihnen habe ich schon mal gesehen, beim Baden oder Einkaufen. Gesprochen habe ich mit keinem mehr als ein, zwei Sätze.
Der Reihe nach fallen mir junge Menschen um den Hals und beglückwünschen mich. Ein Freund von Timon schenkt mir eine Literflasche Jägermeister. »I love Germany«, sagt er.
»Thank you«, sage ich und schaue mir das Flaschenetikett an, als wäre es ganz was Feines.
Ein Bier später hat jeder einen Platz gefunden, dreht ein Typ mit Dreadlocks und aufgedunsenem Gesicht die Musik erst laut und dann aus. Von irgendwoher wird ihm eine Gitarre gereicht und er versucht »Blowin’ in the wind«. Mädchen legen sich die Köpfe auf die Schultern, obwohl es echt beschissen klingt.
Nach dem Lied sieht er zu mir rüber.
»The next song is for Max.«
Oh Gott, bitte nicht!
»Happy Birthday to you …«
Wo ist der verfluchte Jägermeister?
An meiner Seite hängt ein dichtes Mädchen. Es heißt Démi und schreibt, mit dem Hals einer leeren Sektflasche, unsere Namen in den Sand. Seit einer halben Stunde versuche ich ihr zu entkommen.
»Why you look so sad?«, lallt sie.
»I’m not sad.«
»Yes, you are.«
Ich seufze und verwische meinen falsch geschriebenen Namen.
»You’re right. I’m sad and I really need something to drink.«
Bestimmt löse ich ihre Hände von meinem Arm.
»Bring me a beer!«, ruft sie mir nach.
Ich stapfe zum Pavillon, stemme mich auf die Theke und angle ein Bier aus einem der Kästen. So vornüberhängend, spüre ich den Alkohol vom Bauch in den Kopf schwappen. Inmitten der Getränke liegt der Dreadlockjunge und röchelt. Er hält seine Gitarre im Arm und wacht mit viel Glück erst am Ende der Nacht wieder auf. Ein weiteres Geburtstagslied halte ich auf keinen Fall aus. Ich stoße mich zurück auf die Beine und mit mir fällt noch etwas anderes in den Sand: Timons Schweizer Taschenmesser. Neben einer großen und einer kleinen Klinge, einem Flaschenöffner, einer Säge und einer Lupe verfügt es auch über eine Schere. Ich hebe das Taschenmesser auf, klappe die Schere aus und beuge mich erneut über die Theke.
Schnipp, schnapp durchtrenne ich Saite für Saite, und obwohl jede aufgrund der Spannung einen deutlichen Reißton macht, wacht der Typ nicht auf, hat mein Geburtstag ihn ins Koma fallen lassen. Ich habe große Lust, auch noch die Pinzette auszuprobieren. Wie viele Wimpern ich ihm wohl ausreißen könnte, ohne ihn aufzuwecken?
Während ich zurück zum Geschehen spaziere, viel leichtfüßiger, federnder als zuvor, beschließe ich, dass so ein Taschenmesser eines der ersten Dinge sein wird, die ich mir nach meiner Rückkehr besorgen werde. Vielleicht liegt sogar noch eins auf dem Dachboden.
Weit auf dem Meer ist schon Morgen. Ums Feuer sitzt jetzt nur noch der harte Kern. Timon wird flankiert von einem Jungen und einem Mädchen und hält beide an der Hand. Er lässt sich alles offen. Der Hang zum Dreieck scheint in der Familie zu liegen. Démi haben wir in einen Schlafsack gesteckt und in die stabile Seitenlage gedreht. An ihrem Fußende pennen zwei ihrer Klassenkameraden. Der Rest ist zu Hause oder zumindest auf dem Weg.
»Wie hat dir deine Party gefallen?«, flüstert Timon.
»Sie hat mich an früher erinnert.«
»Ist das gut oder schlecht?«
»Gut. Richtig gut sogar.«
Timon lächelt und schiebt einen Holzscheit mit dem Fuß in die Glut.
»Hast du noch was von dem Jägermeister?«
Ich finde die fast leere Flasche unter einem Berg aus Decken, werfe sie vor Timon in den Sand. Leise stehe ich auf und nehme die Kamera.
»Ich mache einen Spaziergang und filme den Sonnenaufgang. Jeder Film braucht ein paar romantische Bilder.«
Kurz vor den Klippen setze ich mich auf einen Stein und richte die Kamera gegen die Sonne, überlege,
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