Am Ende siegt die Liebe
Tod ihrer Schwester gab.
Dr. Schumann und Carola betraten leise das Zimmer. Franziska stand auf und legte einen Finger auf die Lippen. »Schläft sie?« fragte Marc fast lautlos.
Franziska nickte. »Ich glaube es jedenfalls«, schrieb sie auf ihren Block. »Seit zwei Stunden hat sie die Augen nicht mehr aufgeschlagen.«
Marc trat auf Zehenspitzen ans Bett. Say schien tatsächlich zu schlafen. »Macht es Ihnen etwas aus, bei ihr zu bleiben?« fragte er Carola so leise, daß sie ihn kaum verstehen konnte. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf.
»Gut. Wenn etwas sein sollte, ich bin in meiner Praxis.«
Franziska gab Carola das Buch, in dem sie geblättert hatte. Es handelte sich um einen Bildband über Thailand. Sie hatte ihn sich aus der Bibliothek g eholt.
»Danke.« Carola lächelte ihr zu.
»Komm, Franziska.« Marc legte den Arm um die Schultern der jungen Frau. Gemeinsam verließen sie das Zimmer.
Carola lehnte sich im Stuhl zurück. Sie wollte das Buch gerade aufschlagen, als Says Stimme sie heftig zusammenzucken ließ. Überrascht schaute sie auf. »Sie sind ja doch wach«, meinte sie, legte das Buch neben sich auf den Boden und ergriff ihre Hand.
»Ist die Beerdigung vorbei?«
»Ja.« Carola nickte. »Wenn es Ihnen besser geht, fahren wir zum Friedhof und ich zeige Ihnen, wo Ihre Schwester begraben liegt.«
»Sie würde noch leben, wenn ich rechtzeitig einen Arzt geholt hätte.«
»Das können Sie nicht wissen«, versuchte Carola, sie zu ber uhigen. »Vielleicht war es ihr bestimmt, schon zu sterben. Kein Mensch weiß, wie lange er leben wird.«
Say schloß wieder die Augen. »Kim wollte für sich und ihren Sohn nur ein bißchen Glück.« Sie umklammerte Carolas Hand so heftig, daß die junge Frau fast aufgeschrien hätte. »Wo ist D avid?«
»Bei Katharina in der Küche. Sie bringt ihn nachher zu Ihnen.«
Say ließ Carolas Hand los und richtete sich etwas auf. »Sie haben David gern, nicht wahr?«
»Ja. Er ist ein lieber, kleiner Bursche.« Unwillkürlich erhellte ein Lächeln ihr Gesicht. »Hat Ih nen Dr. Schumann gesagt, daß ich David vorläufig zu mir genommen habe? Herr Lange hat seinen Anwalt eingeschaltet. Er möchte erreichen, daß David wenigstens eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung erhält.«
»Ein Kind wie David ist in Thailand verloren«, sagte Say dumpf. »Selbst, wenn ich mich entschließen würde, zusammen mit ihm zurückzukehren, er hätte keine Zukunft.« Sie umfaßte erneut Carolas Hand. »Bei Ihnen wäre er glücklich, Frau Bender. Bitte, geben Sie ihm ein Zuhause.«
Tief in ihrem Herzen hatte Carola schon daran gedacht, David zu adoptieren. Sie wußte nicht, ob das so einfach möglich sein würde. Bei dem Gedanken daran, was wohl ihr Bruder und seine Frau sagen würden, wenn sie mit einem Kind ankam, dessen Mutter Thailänderin gewesen war, hätte sie fast aufgelacht. Beide würden entsetzt sein und sich überlegen, ob sie nicht besser in einer A nstalt aufgehoben wäre.
»Ich werde es versuchen, Say«, versprach sie.
»Nicht nur versuchen! Nicht nur...« Say schluchzte verzweifelt auf. »Bitte, Sie müssen es tun. David...« Sie begann am ganzen Körper zu zittern, während sie gleichzeitig ununterbrochen den Namen ihrer Schwester hervorstieß.
Carola sprang auf und rannte aus dem Zimmer, um Dr. Sch umann zu holen. Verfolgt von Says Stimme stolperte sie die Treppe hinunter.
* * *
Es dauerte fast vierzehn Tage, bis Say in der Lage war, ihr Leben in eigene Hände zu nehmen. Dr. Schumann wollte sie noch weiter krankschreiben, doch die junge Thailänderin bestand darauf, wi eder zu arbeiten.
»Ich mache mir große Sorgen um Frau Wagner«, sagte Marc, als er mit seiner Haushälterin beim Abendessen saß. »Ich bin überzeugt, daß sie noch immer nicht über den Tod ihrer Schwester hinweggekommen ist.«
»Das wird auch noch eine Weile dauern«, meinte Katharina. »Ein Glück, daß sie Frau Bender hat. Die beiden Frauen scheinen gute Freundinnen geworden zu sein.«
Marc nickte. »Es ist gut für David, daß Frau Wagner gegenüber Frau Bender und Herrn Lange keine Eifersucht empfindet. Leicht ist es ihr sicher nicht gefallen, den Kleinen bei ihr zu lassen.«
»Es fragt sich auch, ob es eine gute Entscheidung gewesen ist«, bemerkte Katharina. »Momentan hat David ein Leben wie im Paradies. Frau Bender sorgt für ihn wie eine Mutter. Ständig unternimmt sie etwas mit ihm. Sein Deutsch wird auch von Tag zu Tag besser.« Sie sah ihn an. »Hast du schon mal darüber
Weitere Kostenlose Bücher