Am Ende siegt die Liebe
hatte Marc ihr angeboten, vorläufig im Doktorhaus zu bleiben, wo seine Haushälterin alles daransetzte, die junge Thailänderin wieder auf die Beine zu bekommen.
»Im Krankenhaus kann man sich nicht so intensiv um Frau Wagner kümmern«, meinte der Arzt zu Michael, als sie nach der Beerdigung auf der Hotelterrasse bei einer Tasse Kaffee saßen.
»Bei uns ist sie nie allein. Wer immer gerade Zeit hat, setzt sich zu ihr ans Bett. Zum Glück kann ich mich auf Franziska und Tina verlassen. Sie sind sofort damit einverstanden gewesen, uns zu helfen.«
Carola kam mit David nach draußen. Sie hatten in ihrem Zi mmer ein Kinderbettchen aufstellen lassen. Der kleine Junge fragte zwar oft nach seiner Mutter und seiner Tante, schien sich jedoch mit der Situation abgefunden zu haben.
»Na, wen haben wir denn da?« Michael stand auf und breitete die Arme aus.
David ließ Carolas Hand los und rannte zu ihm. Strahlend warf er sich dem Hotelier in die Arme. »Hoch!« verlangte er.
»Das kannst du haben, kleiner Mann.« Michael wirbelte ihn herum.
»Noch!« schrie David, als ihn der Hotelier auf den Boden stellen wollte.
Michael drehte sich noch einmal mit ihm herum, dann reichte er ihn Carola. »Er ist reichlich anstrengend, dein Schützling«, bemerkte er und strich David durch die glatten schwarzen Haare. »Magst du ein Eis?«
Der Kleine nickte.
»Gut, du sollst eins haben.« Michael winkte eine Kellnerin herbei, die abwartend neben der Tür stand, und bat sie, für David ein Schokolade neis zu holen.
»Als Vater würden Sie sich gut machen«, scherzte Dr. Sch umann schmunzelnd, als der Hotelier wieder an den Tisch zurückkehrte und David sofort zu ihm auf den Schoß wollte.
»Warum nicht?« Michael drückte den Jungen an sich.
»Er ist ganz vernarrt in den Buben«, sagte Carola. »David darf sogar in sein Allerheiligstes, sein Arbeitszimmer, ohne sich vorher anzumelden.« Sie zwinkerte Michael zu. »Soweit habe ich es noch nicht gebracht.«
Es fiel Marc immer wieder auf, wie sich die junge Frau in den letzten Wochen verändert hatte. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren genauso verschwunden wie die große Müdigkeit, die aus jeder ihrer Gesten und Bewegungen gesprochen hatte. Sie schien ein völlig neuer Mensch geworden zu sein. Für den Arzt gab es keinen Zweifel, daß ihre Liebe zu Michael Lange dieses Wunder vol lbracht hatte.
»Dafür ist dir etwas gelungen, was ich niemals für möglich g ehalten hätte«, sagte Michael und berührte ihre Wange.
»Und was?«
»Daß ich deinetwegen ab und zu meine Arbeit vernachlässige.« Er wies über die Terrasse. »Schau, David, dort kommt dein Eis.«
David rutschte vom Schoß des jungen Mannes und rannte der Kellnerin entgegen. Verlangend streckte er die Hand aus. »Eis«, sagte er.
»Hier hast du dein Eis.« Die Kellnerin reichte es ihm.
»Danke.« Er wickelte sein Eis aus, kam an den Tisch zurück, um Carola das Papier zu geben, stieg die wenigen Stufen zum Park hinunter und stapfte entschlossen durch das Gras zum Spie lplatz. Ohne sich um die anderen Kinder zu kümmern, setzte er sich auf eine Schaukel.
»Ich darf nicht daran denken, daß man David nach Thailand zurückschicken wird«, meinte Carola, während sie den Kleinen beobachtete. »Manchmal kommt es mir vor, als würde er jetzt erst richtig zu leben beginnen. Es muß schlimm für ihn gewesen sein, von seiner Mutter und seiner Tante versteckt zu werden und nicht an die frische Luft zu dürfen. Und davor hat er es ja auch nicht besonders gut gehabt. Von Say weiß ich, daß David in Hamburg nur selten nach draußen gekommen ist.«
»Mein Anwalt hat mich gestern angerufen«, sagte Michael zu Dr. Schumann. »Es sieht nicht gut aus. Werner Vogt ist vor drei Wochen bei einer Schießerei ums Leben gekommen. Dadurch kann seine Vaterschaft nicht mehr festgestellt werden. Say weiß auch nur, was ihr Kim erzählt hat. Die Bar, in der ihre Schwester arbeiten mußte, ist inzwischen zwar von der Polizei ausgehoben worden, aber von Kim weiß die Besitzerin angeblich nichts. Was mich nicht wundert. Schließlich wurde die junge Frau dort wie eine Sklavin gehalten.«
»Und die anderen Frauen, die dort gearbeitet haben?« fragte Marc.
»Aus ihnen ist nichts herauszubekommen. Interessant ist allerdings, daß keine eine gültige Aufenthaltserlaubnis hat. Ihnen droht nun die Abschiebung.« Michael stieß heftig den Atem aus. »Wer weiß, mit welchen Versprechungen sie nach Deutschland gelockt worden sind. Ich bin
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