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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hätt ich in ein überfahrenes Tier gebissen, was?« Damit warf sie den neuen Lippenstift auf die Straße. Da wo der herkommt, gibt es noch mehr, sagte diese Geste. »Hab das Scheißding in der Drogerie da hinten an der Westbourne Grove mitgeh'n lassen. Ich hätt gleich fünf nehmen soll'n, so einfach, wie das war. Also. Was treibt ihr beiden?«
    »Jedenfalls klauen wir kein' Plunder, das steht mal fest«, erwiderte Six. Es war ein Warnschuss, aber nicht genug, um Ness' Euphorie gänzlich zu vertreiben.
    »Wieso?«, fragte sie mit einem Grinsen. »Biste anständig geworden, Six? Oder haste jetzt 'nen Kerl, der dich aushält?«
    »Ich brauch kein' Kerl, um zu kriegen, was ich will«, gab Six zurück, und um diese Behauptung zu unterstreichen, holte sie ein Handy aus der Tasche und betrachtete es, als sei gerade eine wichtige SMS gekommen.
    Ness wusste, sie musste das Handy nun bewundern. Das war Teil des Rituals. Also bemerkte sie: »Das is' ja geil. Wo haste das 'n her?«
    Six legte den Kopf zur Seite; sie wirkte hochzufrieden.
    Tash war weniger cool. Mit unverkennbarem Stolz erklärte sie: »Von so 'ner weißen Tusse am Kensington Square. Six geht einfach zu ihr hin und sagt: >Her damit, Fotze<, und ich hab mich von hinten angeschlichen, falls sie auf die Idee kommt abzuhau'n. Die fängt an zu flenn' und jammert: >Ach, bitte. Meine Mummy wird so böse sein, weil ich ihr Handy geborgt hab, ohne zu fragen.< Six schnappt es sich, und dann ha'm wir sie umgerempelt. Bis die wieder aufgestanden war, war'n wir schon fast an der nächsten Straße. War total easy, oder, Six?«
    Six tippte eine Nummer ein. »Haste mal 'ne Kippe?«, fragte sie Tash.
    Diese durchforstete folgsam ihre Tasche und förderte ein Päckchen Dunhill zutage. Six nahm sich eine, zündete siean und gab Tash die Schachtel zurück. Als Tash sie in Ness' Richtung ausstrecken wollte, hielt Six sie mit einem strengen »Tash!« davon ab.
    Natasha sah von Six zu Ness und wieder zurück und steckte dann die Zigaretten wieder ein.
    Six sprach ins Telefon: »Hey, Baby. Was geht? Haste was für Mummy oder was? ... Scheiße, nein. So weit fahr ich nich'. Was willste denn von mir, wofür ich den weiten Weg machen soll? ... Am Queensway mit Tash ... Ja, das kriegen wir hin, wenn du Dope für uns hast, kapiert? Sonst ...«
    Six lauschte etwas länger. Sie verlagerte das Gewicht auf einen Fuß und tippte mit dem anderen ungeduldig auf den Boden. Schließlich sagte sie: »Kannste vergessen, Mann. Wenn ich und Tash den weiten Weg machen, sind wir zu erledigt, um ... Hey, pass auf, was du sagst, sonst kannste mich kenn'lern', Baby. Wenn ich und Tash auf dich losgeh'n, haste keine Chance.« Sie lachte und zwinkerte Natasha zu. Natasha sah lediglich verwirrt aus. Six hörte wieder ein Weilchen zu und sagte dann: »Okay, aber sei bereit für uns, Mann.« Dann kappte sie die Verbindung und betrachtete Ness mit einem zufriedenen Lächeln - eine reine Provokation; Ness hatte längst begriffen, was »ich und Tash« zu bedeuten hatte. Eine Grenze war gezogen worden, die nicht passierbar war. Ebenso wenig gab es einen Weg zurück zu dem Status quo, der einmal existiert hatte. Aus einer Unzahl pubertärer Gründe war Ness die Persona ingrata geworden, und die würde sie auch bleiben.
    Sie hätte auf einer Erklärung bestehen können. Sie hätte Anschuldigungen erheben und Analysen anstellen können. Doch unter dem Druck des Augenblicks vermochte sie nichts von alledem. Ihr blieb nur, ihr Gesicht zu wahren, und das hieß, Gleichgültigkeit zu demonstrieren. Einer Kränkung kein Gewicht zu verleihen, indem man darauf reagierte. Und den Druck im Innern zu ignorieren.
    Ness sah Six in die Augen und nickte knapp. »Tja dann«, sagte sie.
    »Alles klar«, erwiderte Six.
    Tash war verwirrt - Six' »ich und Tash«-Gerede schien eine Gleichwertigkeit anzudeuten, die zwischen den beiden Mädchen nicht existierte.
    »Geh'n wir«, sagte Six zu Natasha. »Da wartet jemand auf uns.« Und als sie sich schon abwandte, rief sie über die Schulter zu Ness: »Pass bloß auf, Alte«, womit das Gespräch endgültig beendet war.
    Ness sah ihnen nach: zwei dummen Hühnern, deren Freundschaft sie weder wollte noch brauchte. Doch noch während sie sich dies einredete, fühlte sie sich bereits wieder getrieben. Also ging sie Richtung Whiteley's. Dort gab es jede Menge Lippenstifte, die nur darauf warteten, dass irgendjemand sie mitgehen ließ. Und Ness wusste, sie war dieser Jemand.
    Kendra war im Begriff,

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