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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sie doch gleichzeitig wusste, wie unwahrscheinlich es war, dass die weiße Frau nur aus diesem Grund gekommen war.
    Während des Rundgangs stellte Fabia Fragen. Sie wollte wissen, wie lange Kendra schon in diesem Haus wohnte. War sie die glückliche Besitzerin, oder war das Haus gemietet? Wie viele Personen lebten hier? Wie war die Schlafzimmeraufteilung?
    Kendra verstand nicht, was diese Fragen mit Joel zu tun haben sollten oder mit den Schwierigkeiten, in denen er stecken mochte, und war argwöhnisch. Sie wollte in keine Falle tappen und hielt ihre Antworten so knapp und vage wie möglich. Im ersten Stock gab sie darum keine Erklärung für den Paravent, der neben dem Sofa an der Wand lehnte, ebenso wenig erklärte sie, warum sie im zweiten Stock Campingliegen und Schlafsäcke für die Jungen hatte statt richtiger Betten mit Federkissen.
    Vor allem erwähnte sie Dix mit keinem Wort. Ganz egal, dass Menschen überall in der Stadt und im ganzen Land in weitaus ungeregelteren Verhältnissen lebten, wo die Partner von Elternteilen mit schwindelerregender Häufigkeit kamen und gingen, weil Frauen nach Männern suchten und Männer nach Frauen, alle von der Angst getrieben, länger als fünf Minuten allein sein zu müssen. Kendra fand, je weniger der Sozialarbeiterin über Dix bekannt war, umso besser. Sie ging sogar so weit zu erwähnen, dass Ness mit ihr im Doppelbett schlief; eine Entscheidung, die sie bereute, als Fabia Bender einen Blick ins Badezimmer warf und die Herrentrikots entdeckte, die über der Badewanne auf Bügeln zum Trocknen hingen. Auch auf dem Bord oberhalb des Waschbeckens fanden sich Indizien für einen männlichen Mitbewohner im Haus: Dix' Rasierzeug lag dort ordentlich aufgereiht, Rasierer, Seife und Pinsel.
    Fabia Bender sagte nichts, bis sie wieder nach unten kamen. Dort schlug sie vor, dass sie und Kendra einen Moment am Küchentisch Platz nehmen sollten. Sie sagte, dass bei all den Gelegenheiten, da sie mit Ness zusammengetroffen war - auf dem Polizeirevier, bei Gericht und im Büro des Jugendamtes in Oxford Gardens -, nie die Rede davon gewesen wäre, dass zwei weitere Campbell-Kinder bei Mrs. Osborne wohnten. Davon hatte sie erst durch eine Frau namens Luce Chinaka vom Lernzentrum erfahren, die in Sorge war, weil einige Formulare, die die Unterschrift eines Elternteils oder Erziehungsberechtigten erforderten, nicht zurückgereicht worden waren. Diese Unterlagen seien einem gewissen Joel Campbell ausgehändigt worden und beträfen seinen Bruder Toby.
    Es war kein Zufall, dass der Anruf von Luce Chinaka ausgerechnet an Fabia Bender weitergeleitet worden war. Obwohl die Mitarbeiter des Jugendamtes chronisch überarbeitet waren, hatte die Sekretärin sich erinnert, dass der Name Campbell kürzlich bei einem von Fabias Fällen gefallen war, und die Anruferin deswegen an sie verwiesen. Erfahrungsgemäß lag die Neigung, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, in der Familie. Als Luce Chinaka also ihre Besorgnis über einen gewissen Joel
    Campbell zum Ausdruck brachte, hielt die Sekretärin es für wahrscheinlich, dass ein Bruder von Ness aufgetaucht war.
    »Was für Unterlagen?«, fragte Kendra. »Warum sollte er sie mir nicht geben?«
    Es ginge um weiterführende Untersuchungen, die möglicherweise dazu führen würden, Toby in einer besser geeigneten Einrichtung als der Middle Row School unterzubringen, erklärte Fabia.
    »Untersuchungen?«, fragte Kendra misstrauisch. Das Wort löste Alarmsirenen in ihrem Kopf aus. Toby war Tabuzone. Ihn zu untersuchen, zu beurteilen oder einzuschätzen ... undenkbar. Doch weil Kendra genau wissen wollte, mit welch einem Feind sie es zu tun hatte, fragte sie: »Was für Untersuchungen? Und wer soll sie durchführen?«
    »Das wissen wir noch nicht genau«, antwortete Fabia Bender. »Aber das ist nicht der eigentliche Grund, warum ich gekommen bin.« Da sich herausgestellt hatte, dass drei Kinder bei Mrs. Osborne lebten und nicht eines, habe sie die Wohnsituation begutachten wollen. Außerdem sei sie hier, um die Frage der Vormundschaft für die Kinder endgültig und offiziell zu regeln.
    Wieso das erforderlich sei, wollte Kendra wissen. Die Kinder hatten eine Mutter, eine Großmutter - Glorys Umzug nach Jamaika erwähnte Kendra wohlweislich nicht -, und sie hatten eine Tante. Irgendeine dieser Angehörigen würde sich immer um sie kümmern. Warum musste man irgendetwas offiziell machen? Und was hieß offiziell eigentlich?
    Es hieß vor allem Formulare, stellte

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