Am Ende war die Tat
und ich hab kein Interesse an einer Wiederholung. Wenn deine blöde Dusche dir wichtiger ist als ...«
»Du stellst mich auf eine Stufe mit ihnen? Mit welchem?«
»Ich schätze, du weißt, mit welchem.«
»Also? Das war's?« Er sah sich kopfschüttelnd um. Dann setzte er sich in Bewegung, aber nicht in Richtung Treppe, sondern zur Haustür. Bedauernd sagte er: »Du hast dich entschieden, Ken. Wie du willst.«
15
Dix' Auszug wirkte sich auf jedes Familienmitglied anders aus. Ness begann, durchs Haus zu stolzieren, als habe sie eine lang ersehnte Veränderung bewirkt. Kendra stürzte sich in ihre Arbeit und erwähnte die Tatsache, dass Dix nicht mehr da war, mit keinem Wort. Toby hielt Dix' Verschwinden für das Werk eines Unsichtbaren, den er Maydarc nannte. Und Joel erlebte zum zweiten Mal in seinem Leben einen kreativen Schub und verfasste Gedichte.
Er hätte nicht zu erklären vermocht, worum es in seinen Gedichten eigentlich ging. Auch hätte er diesen Ausbruch kreativer Energie nie zu seiner Quelle zurückverfolgen können: Dix' Auszug. Alles, was er über seine Verse hätte sagen können, war, dass sie eben waren, was sie waren, und von einem Ort kamen, den er nicht benennen konnte.
Er zeigte sie niemandem - bis auf eine Ausnahme. Nach langem Überlegen und Ringen mit sich wählte er ein Gedicht aus und überreichte es eines Abends bei Führt Worte statt Waffen Adam Whitburn. Er hatte an der Kellertür herumgelungert und darauf gewartet, dass der junge Rasta sich auf den Heimweg machte. Joel drückte es ihm stumm in die Hand, und dann stand er da, in angstvoller Erwartung, während Adam las. Schließlich sah dieser auf, warf Joel einen merkwürdigen Blick zu und las noch einmal. Dann gab er ihm das Blatt zurück und fragte: »Haste das Ivan gezeigt?«
Joel schüttelte den Kopf.
»Mann, das musste ihm zeigen«, drängte Adam. »Überhaupt, warum lieste's nich' vor? Du hast was Besonderes, Bruder. Das müssen alle sehen.«
Aber das war für Joel unvorstellbar. Adam Whitburns Würdigung bereitete ihm Freude, und das reichte ihm. Nur Ivans
Würdigung hätte ihm noch mehr bedeutet. Was den Rest anging - das öffentliche Vorlesen, das Analysieren und Kritisieren, die Gelegenheit, bei »Du hast das Wort« Geld, Urkunden oder sonstige Anerkennung zu gewinnen -, all das hatte für Joel an Wichtigkeit verloren, während seine Freude am Schaffensprozess wuchs.
Das Kritzeln, Durchstreichen, blicklos an die Decke Starren und wieder Kritzeln versetzte ihn in einen völlig veränderten Zustand. Er hätte ihn niemals beschreiben können, aber er freute sich immer darauf, wenn es ihm gelang, sich dort hineinzuversetzen. Das Schreiben bot ihm eine Zuflucht, mehr noch: ein Gefühl von Ganzheit, das er nie zuvor gekannt hatte. Er nahm an, was er fühlte, war so ähnlich wie das, was Toby empfand, wenn er sich nach Sosi zurückzog oder seine Lavalampe anstarrte oder sie auch nur durchs Haus trug. Es veränderte die Dinge, machte die Tatsache unbedeutender, dass ihr Vater tot und ihre Mutter in der Psychiatrie eingesperrt war.
So war es nur natürlich, dass er diese Zuflucht so oft wie möglich suchte. Beim Schreiben konnte er die Welt aussperren, und selbst wenn er mit Toby nach Meanwhile Gardens hinüberging, weil sein kleiner Bruder den Skatern zuschauen wollte, konnte Joel sich mit seinem Notizblock auf dem Schoß auf eine Bank am Rande der Skate-Bowl setzen, Wörter aus dem Nichts hervorzaubern und zusammenfügen, so wie er es an dem Abend getan hatte, da man ihn zum Meister von morgen ernannt hatte.
Genau damit war er beschäftigt, und Toby saß auf dem Rand der tiefsten Skate-Bowl, als sich jemand neben ihn setzte und fragte: »Was machste'n da? Wohl kaum Hausaufgaben um diese Jahreszeit. Und wo warste überhaupt, Joel? In Urlaub oder so?«
Joel schaute auf und ertappte Hibah dabei, wie sie versuchte, einen Blick auf sein Werk zu erhaschen. Sie habe ihrem Dad gerade sein Essen ins Busdepot gebracht, erklärte sie. Ihre Mum erwarte sie zu Hause und werde wahrscheinlich ihren Dad auf dem Handy anrufen, wenn Hibah nicht zur erwarteten Zeit heimkam, und das war in etwa einer Viertelstunde.
»Sie sagen, sie hätten mich geseh'n«, vertraute Hibah ihm an. »Und sie sagen, ihnen hat nicht sonderlich gefall'n, was sie geseh'n haben. Aber ich weiß es genau, es war nur die blöde Schlampe von der Kensal-Bücherei, die mich geseh'n hat. Denn wenn es wirklich meine Eltern gewesen wären, dann käm ich nich' mehr aus
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