Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
erfuhr, dass sie noch nicht wieder zu Hause waren. Kendra war so aufgeregt, dass sie kaum zusammenhängend sprechen konnte. »Wo wart ihr?«, rief sie. »Wo wart ihr denn nur? Dix is' euch suchen ... Sogar Ness hat sich aufgemacht ... Was is' passiert? Toby, Baby, bist du krank? Dix hat gesagt ... Joel, Gott verflucht. Warum hast du nicht angerufen? Ich wär doch ... Oh, mein Gott!« Sie zog sie beide an sich.
    Joel war überrascht zu sehen, dass sie weinte. Er war nicht in der Lage zu begreifen, dass seine Tante so reagierte, weil sie geglaubt hatte, ihr unausgesprochener Wunsch, von der Last der Verantwortung befreit zu werden, habe sich erfüllt. Kendras Lektion hatte gelautet: Bedenke, worum du unbewusst bittest.
    Während sie Toby ein Bad einließ und ihm die besudelte Kleidung auszog, redete sie, als stünde sie unter Drogen. Dix sei schon vor Stunden nach Hause gekommen, sagte sie. Mit seinem dämlichen Pokal in der Hand sei er durch die Tür gekommen - »Natürlich hat er gewonnen, ist doch klar« -, habe sich umgeschaut und gefragt, ob die Jungen gut heimgekommen seien. »Als hätte er nicht die geringste Sorge, dass ihr zwei den Weg quer durch die ganze verdammte Stadt findet, obwohl ihr noch nie im Leben am Barbican wart! Ich sag zu ihm, wovon redest du da eigentlich, Mann? Die Jungen waren doch bei dir, oder? Da sagt er, Toby hätte sich auf die Klamotten gekotzt, und da hätt er euch nach Hause geschickt.«
    Joel, der auf dem Toilettendeckel saß und zusah, wie Kendra Toby mit einem eingeseiften Waschhandschuh und Shampoo bearbeitete, unterbrach sie: »Er hat uns nich' geschickt, Tante Ken. Ich hab ihm gesagt ...«
    »Erzähl mir nich', wer wem was gesagt hat«, schimpfte Kendra. »Oh, ich kann mir schon vorstellen, dass er euch nicht gesagt hat, ihr sollt abhauen, aber er hat schon deutlich gemacht, was er wollte, oder? Lüg mich nicht an, Joel!«
    »So war's echt nich'«, protestierte Joel. »Er war schon fast dran, vor den Preisrichtern aufzutreten. Er hätt's sausen lassen müssen. Und dabei hat er doch gewonn', oder? Das isses doch, was wichtig is'.«
    Kendra drehte sich zu ihm um. »Gott im Himmel! Denkst du jetzt schon genauso wie er, Joel?« Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern wandte sich wieder Toby zu und fuhr fort, die Seife abzuspülen. Dann wickelte sie ihn in ein Badetuch und half ihm aus der Wanne. Sie föhnte ihm die krausen Haare, rubbelte ihn trocken und puderte ihm sogar die Haut ein. Toby sonnte sich in all der Aufmerksamkeit.
    Sie brachte ihn ins Bett und versprach, ihm Ovaltine und Toastecken mit Butter und Zucker zu bringen. »Also, ruh dich einfach schön aus, Baby, bis Tante Kendra wiederkommt.«
    Toby schaute blinzelnd zu ihr hoch, sprachlos über diesen unerwarteten Ausbruch mütterlicher Zuwendung. Er kuschelte sich unter die Bettdecke und wartete gespannt. Ovaltine und Zuckertoast waren Leckereien, die er in seinem jungen Leben erst selten hatte genießen dürfen.
    Mit einer Kopfbewegung bedeutete Kendra Joel, ihr in die Küche zu folgen. Dort ließ sie sich die Geschichte von Anfang bis Ende erzählen. Dieses Mal gelang es ihr zuzuhören. Als er zum Ende seines Berichts über ihre Fahrt quer durch die Stadt kam, waren Ovaltine und Toastecken fertig. Sie reichte sie Joel und nickte zur Treppe hinüber. Dann schenkte sie sich ein Glas Wein ein, zündete eine Zigarette an und setzte sich an den Küchentisch.
    Sie versuchte, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Ihre körperliche Verfassung, ihre Emotionen und ihre Psyche lagen im Widerstreit miteinander, und das war zu viel auf einmal. Sie bemühte sich, einen Fokus zu finden, als Dix durch die Tür trat.
    »Ken, ich bin überall rumgefahren. Alles, was ich erfahren hab, is', dass Joel aufgebrochen is', wie er gesagt hat. Ein Straßenmusiker an der Bushaltestelle am Barbican hat mir erzählt ...«
    »Er ist hier«, unterbrach Kendra. »Sie sind beide hier. Gott sei Dank.«
    »Gott sei Dank« hieß auch: Das haben wir nicht dir zu verdanken. Ihr Tonfall und der Blick, den sie ihm zuwarf, waren unmissverständlich. Er geriet ins Stocken. Er wusste, dass Kendra ihm die Schuld für das gab, was passiert war, und das nahm er hin. Was er nicht verstand, war Kendras Stimmung. Dix wäre es natürlicher erschienen, wenn sie Erleichterung verspürt hätte, aber was sie ausstrahlte, war Feindseligkeit.
    Er tastete sich behutsam vor: »Das ist gut. Aber was zum Teufel is' passiert? Warum sind sie nicht direkt nach Hause

Weitere Kostenlose Bücher