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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zu sein. Auch wenn niemand sie wahrgenommen hatte, blieb es doch eine Tatsache, dass er und Cal hier aus dem Bild fielen.
    Nach einem kurzen Stück überquerte Cal die Straße. Dem Mehrfamilienhaus folgten wieder Reihen großer Stadthäuser. Sie waren weiß - leuchtend weiß und absolut makellos - mit schwarzen Türen. Von der Straße aus konnte man in Souterrainfenster hineinsehen, und im Vorbeigehen warf Joel hier und da einen Blick hindurch: blitzblanke Küchen mit Granitarbeitsplatten, blinkendes Chrom, offene Regale mit buntem Geschirr. Stabile Gitter vor den Fenstern hielten Einbrecher fern.
    Wieder näherten sie sich einer Kreuzung, und Cal bog erneut ab. Jetzt kamen sie in eine Straße, in der Grabesstille herrschte. Hier sah es aus wie an einem Filmset, das dem Eintreffen der Schauspieler harrte. Anders als in North Kensington hörte man hier nirgendwo Musik aus Lautsprechern wummern oder streitende Stimmen. Irgendwo in der Ferne schnurrte ein Auto vorüber, aber das war auch schon alles.
    Sie kamen an einem Pub vorbei, dem einzigen kommerziellen Betrieb auf der ganzen Straße, und selbst der sah aus wie auf einem Gemälde. Gravierte Waldmotive schmückten die Fensterscheiben. Bernsteinfarbene Lichter glommen dahinter. Die schwere Eingangstür war geschlossen, um die Kälte draußen zu halten.
    Hinter dem Pub ging es weiter mit den feinen Häusern: wieder Wand an Wand, aber jetzt cremefarben statt weiß. Auch hier gab es auf Hochglanz polierte schwarze Haustüren, und schmiedeeiserne Gitter trennten die Grundstücke vom Bürgersteig und umliefen die Balkone. Dort standen Blumentöpfe, Efeu rankte herab, und ganz oben waren die Warnlichter von Alarmanlagen montiert, um Eindringlinge abzuschrecken.
    Und wieder bogen sie um eine Ecke, sodass Joel sich zu fragen begann, wie sie je aus diesem Labyrinth herausfinden sollten, wenn sie erledigt hatten, wozu sie hergekommen waren. Doch diese Ecke führte nur in einen Durchlass, der nicht breiter war als ein Auto - ein Tunnel zwischen zwei Gebäuden, die so leuchtend weiß und klinisch sauber waren wie alles in dieser Gegend. Joel sah ein Schild mit der Aufschrift »Grosvenor Cottages« und entdeckte am Ende des Tunnels eine Reihe kleiner Häuschen an einem Kopfsteinpflastergässchen. Das Gässchen ging bald in einen gewundenen Pfad über, der aber lediglich zu einem winzigen Garten führte, wo nur ein Vollidiot versucht hätte, sich zu verstecken. Der Garten war von einer Ziegelmauer begrenzt, die vielleicht zwei Meter fünfzig hoch war. Eine Sackgasse. Nur ein Weg hinein und derselbe hinaus. Joel spürte Panik aufsteigen. Würde Cal von ihm verlangen, hier irgendwen zu überfallen? Mit nur einem einzigen Fluchtweg? Dakonnte er ebenso gut die Pistole nehmen und sich in die Füße schießen, denn die würde er wahrscheinlich nicht mehr lange brauchen, wenn er hier tat, was er tun sollte.
    Cal ging nur zwei Schritte in den Tunnel hinein und sagte dann: »Jetzt.«
    Verwirrt fragte Joel: »Was, jetzt, Mann?«
    »Jetzt warten wir.«
    »Cal, in so 'ner Sackgasse werd ich nix machen.«
    Cal warf ihm einen schnellen Blick zu. »Du tust, was ich dir sag und wenn ich's dir sag. Darum geht's hier. Haste das immer noch nich' geschnallt?«
    Er lehnte sich an die Tunnelmauer, gleich neben den offenen Flügel des schmiedeeisernen Tors, das Autos und Fußgängern den Zugang zu dem Sträßchen ermöglichte. Dann wurde sein Ausdruck ein wenig nachsichtiger. »Hier sind wir sicher, Bruder. Hier gibt's keine Wachleute. Die erste Figur, die vorbeikommt ...« Er klopfte auf die Tasche, wo die Pistole steckte. Die Geste beendete den Satz.
    Trotz der beschwichtigenden Worte fühlte Joel einen leichten Schwindel. Er wollte nicht, musste aber an Toby denken, der geduldig darauf wartete, dass Joel ihn von der Schule abholte; der sich darauf verließ, dass sein Bruder pünktlich kam wie immer. Er dachte an Kendra, die im AIDS-Laden die Regale wischte oder die Auslage aufräumte und glaubte: Ganz gleich, was noch passieren mochte, das die Welt aus den Fugen brachte - auf Joel konnte sie sich verlassen. Er war jetzt der Mann im Haus. Er dachte an Ness, die eingesperrt war, an seine Mutter, die ebenfalls eingesperrt war, und an seinen Vater, der tot war und nie wiederkommen würde. Sein Blick verschwamm, und er versuchte, gar nicht zu denken, was wiederum unweigerlich dazu führte, dass ihm Ivan einfiel, Neal Wyatt und The Blade.
    Joel überlegte, was The Blade wohl mit ihm machen würde, wenn er

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