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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Überwachungskameras, die jede Bewegung im Bahnhof festhielten.
    Cal trat beiseite und machte den übrigen Fahrgästen, die ausstiegen, Platz. Er holte etwas aus der Jackentasche. Joel brach der Schweiß aus, als er für eine Sekunde befürchtete, Cal wolle, dass er den Überfall hier auf dem Bahnsteig durchführe, direkt unter den Kameras. Doch Cal drückte ihm lediglich etwas Weiches in die Hand und sagte: »Zieh die an! Und halt den Kopf unten!« Es war eine schwarze Strickmütze, ähnlich wie die seine.
    Joel stülpte sie sich über die roten Stahlwollelocken. Er war dankbar dafür und dass die Jahreszeit ihn bewogen hatte, einen dunklen Anorak zu tragen, der seine Schuluniform verbarg. Wenn der Job erledigt war und sie wegrannten, war es unwahrscheinlich, dass ihr Opfer der Polizei eine brauchbare Täterbeschreibung würde liefern können.
    Sie gingen den Bahnsteig entlang, und als sie zur Treppe kamen, konnte Joel nicht widerstehen, einen Blick nach oben zu werfen, entgegen Cals Anweisung, den Kopf gesenkt zu halten. Hier waren zusätzliche Kameras an der Decke montiert worden, die jeden einfingen, der die Treppe benutzte. Eine hing über dem Drehkreuz, das den Ausgang des Bahnhofs markierte. Tatsächlich waren hier so viele Überwachungskameras, dass Joel zu dem Schluss kam, er und Cal müssten in einer wichtigen Gegend sein, Buckingham Palace oder so, wenngleich er keine Ahnung hatte, ob es in der Nähe der königlichen Residenz eine U-Bahn-Station gab. Er dachte an die Houses of Parliament und an die Kronjuwelen, wo immer die verwahrt sein mochten. Das schien ihm die einzig plausible Erklärung zu sein.
    Sie kamen auf einen sehr belebten baumumstandenen Platz. Am entlegenen Ende sah Joel die Rückseite einer Statue von einer nackten Frau, die Wasser aus einem Krug in ein Becken goss. Die winterkahlen Bäume standen wie eine Ehrengarde, die zu diesem Brunnen führte, unterbrochen von schwarzen Straßenlaternen mit lupenreinen Glaszylindern neben Holzbänken, die mit grünem Schmiedeeisen verziert waren.
    Am Rand des Platzes standen Schlangen schwarzer Taxen, die so sauber waren, dass das Sonnenlicht sich im Lack spiegelte, und Busse und Autos befuhren die Straßen, die hier zusammenflössen.
    So etwas wie diesen Platz kannte Joel bisher nur aus dem Fernsehen. Es war ein London, das ihm fremd war, und sollte Cal Hancock ihn hier irgendwo zurücklassen, wäre er hoffnungslos verloren. Also ließ er sich keine Zeit, sich umzusehen oder sich auch nur zu fragen, was zwei Typen wie sie in dieser Gegend verloren hatten, wo sie etwa so unauffällig waren wie Rosinen in Reispudding. Lieber beeilte er sich, zu Cal aufzuschließen.
    Der Graffitikünstler wandte sich nach rechts und schritt einen Bürgersteig entlang, der überfüllter war, als Joel es in North Kensington je erlebt hatte, von Markttagen einmal abgesehen. Überall hasteten Einkaufsbummler mit schicken Tragetascheneinher, eilten zur U-Bahn-Station. Andere betraten ein Café mit großen Schaufenstern und einer bordeauxroten Markise mit goldener Schrift. »Oriel«, stand dort. »Grande Brasserie de la Place«. Im Vorbeigehen erhaschte Joel einen Blick auf einen Servierwagen voller Törtchen. Kellner in weißen Jacketts trugen Silbertabletts vor sich her. Sie schlängelten sich an Tischen entlang, wo gut gekleidete Männer und Frauen saßen und rauchten, redeten und aus winzigen Tassen tranken. Manche waren auch allein und sprachen in ihre Handys, den Kopf gesenkt, um ihre Telefonate vertraulich führen zu können.
    »Scheiße«, wollte Joel ausrufen, »was machen wir hier eigentlich, Mann?«, als sie an eine Straßenecke kamen und Cal abbog. Hier war die Atmosphäre plötzlich eine ganz andere. In der Nähe des Platzes gab es noch ein paar Geschäfte. Joel entdeckte glänzende Besteckteile in einem Schaufenster, moderne Möbel im nächsten und feine Blumenarrangements in einem dritten, doch schon zwanzig Meter hinter der Straßenecke ging die Bebauung in elegante Wohnhäuser über, die Wand an Wand standen, aber sich überhaupt nicht mit den schäbigen Reihenhäusern vergleichen ließen, die Joel kannte. Diese hier waren blitzblank von den Dächern bis zu den Kellerfenstern, und jenseits davon erstreckte sich ein Mehrfamilienhaus mit Blumenkästen voll leuchtender Stiefmütterchen und üppigem Efeu.
    Obwohl auch diese Straße sich radikal von allem unterschied, was Joel gewöhnt war, fühlte er sich doch erleichtert, der Menschenmenge auf dem Platz entkommen

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