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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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jetzt zu Cal sagte: »Vergiss es, Mann«, sich auf den Rückweg zur U-Bahn machte und dort das Geld für die Fahrkarte nach Hause zusammenschnorrte. Was würde The Blade tun? Ihn umbringen? Eher unwahrscheinlich. Selbst The Bladeschreckte doch bestimmt davor zurück, einen Zwölfjährigen zu ermorden, oder? Das Problem war, wenn er sich The Blade jetzt widersetzte, bedeutete das gleichzeitig einen Mangel an Respekt - und dass wieder irgendeine Art von Bestrafung auf Joel zukäme, entweder durch The Blade selbst, durch Cal oder sonst wen, der sich bei Mr. Stanley Hynds verdient machen wollte. Das konnte Joel im Moment wirklich nicht gebrauchen: eine Meute von Möchtegerngangstern, die darauf lauerten, es ihm oder seiner Familie zu zeigen, mit Fäusten, Messern, Totschlägern oder Schusswaffen.
    Ganz gleich, aus welchem Blickwinkel Joel die Sache betrachtete: Er saß in der Falle. Sein einziger Ausweg wäre gewesen, für immer wegzulaufen, niemals nach North Kensington zurückzukehren und nie mehr für seinen Bruder und seine Tante da zu sein. Entweder das, dachte er, oder hierbleiben und warten, bis Cal ihm das Zeichen gab.
    Plötzlich sagte Cal: »Da, Mann.«
    Joel richtete sich auf. In der Nähe des Tunnels war nichts, und es war auch niemand aus einem der Cottages an der Kopfsteinpflastergasse gekommen. Trotzdem hatte Cal die Pistole aus der Jackentasche gezogen. Er drückte sie Joel in die Hand und schloss die Finger des Jungen darum. Joel kam sie so schwer vor wie eines von Dix' Zwanzig-Kilo-Gewichten. Er wollte nichts so sehr, wie sie zu Boden fallen lassen.
    »Was ...?« Dann hörte er das Zuschlagen einer Autotür irgendwo ein Stückchen die Straße hinunter. Dann eine Frauenstimme: »Was hab ich mir nur dabei gedacht, diese grässlichen Schuhe anzuziehen? Ausgerechnet zum Einkaufen. Warum hast du das nicht verhindert, Deborah? Eine anständige Freundin würde mich doch wenigstens vor meinen größten Irrtümern bewahren. Könntest du wohl den Wagen parken?«
    Eine zweite Frau lachte. »Soll ich ihn in die Garage fahren? Du siehst wirklich völlig erledigt aus.«
    »Du kannst Gedanken lesen. Danke! Aber lass uns zuerst die Taschen ausladen ...« Die Stimme wurde einen Moment leiser, dann: »Ach herrje, weißt du, wie man diesen Kofferraum öff- net? Ich hab auf dieses Dingsda gedrückt, aber ... Ist er offen, Deborah? Gott, ich kann mit Tommys Wagen einfach nicht umgehen. Ah, na also. Sieht aus, als hätten wir Erfolg.«
    Joel riskierte einen Blick. Vielleicht drei Häuser entfernt sah er zwei weiße Frauen, die Unmengen schicker Einkaufstüten aus dem Kofferraum eines noblen silbernen Autos holten. Sie trugen immer einen ganz Schwung zur Haustür hinauf und kamen dann zurück, um weitere zu holen. Als der Kofferraum leer war, öffnete eine der Frauen - eine rothaarige in einem olivfarbenen Mantel mit passendem Barett - die Fahrertür. »Ich bringe den Wagen in die Garage. Geh du schon mal hinein, und zieh die Schuhe aus!«
    »Tee?«
    »Gern. Ich bin gleich wieder da.«
    »Aber pass bloß auf Tommys Auto auf! Du weißt ja, wie er ist.«
    »Allerdings.«
    Sie startete den Motor, der fast keinen Laut von sich gab, und fuhr langsam an dem Tunnel vorbei, wo Joel und Cal sich versteckten. Da das Fahrzeug ihr offenbar nicht vertraut war, konzentrierte sie sich allein auf die Straße vor sich, beide Hände am Lenkrad wie jemand, der nichts anderes im Sinn hat, als von A nach B zu kommen, ohne Schaden anzurichten. Kein einziges Mal blickte sie in Joels und Cals Richtung. Ein Stückchen die Straße hinunter bog sie links in eine Seitengasse und verschwand aus ihrem Blickfeld.
    Cal sagte: »Jetzt, Mann«, und stieß Joel an. Er wandte sich zur Straße und der zweiten Frau zu, die immer noch vor dem Haus stand. Sie war von ihren Einkaufstaschen umgeben und durchwühlte ihre Handtasche auf der Suche nach ihrem Hausschlüssel. Glatte, kinnlange Haare bedeckten ihr Gesicht, und als Joel und Cal näher kamen, strich sie sich das Haar zurück, sodass ein Ohrring sichtbar wurde: ein fein ziselierter Goldreif. Am linken Ringfinger trug sie einen großen Diamanten.
    Sie hob den Kopf, als habe sie irgendetwas gehört. Völlig arglos sagte sie: »Ich kann meinen verflixten Schlüsselbundnicht finden. Ich bin wie üblich vollkommen ratlos. Wir müssen Tommys nehmen, falls du ...« Dann blickte sie auf, sah Joel und Cal und fuhr zusammen. Dann lachte sie verlegen. »Mein Gott«, sagte sie. »Es tut mir leid. Sie haben mich

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