Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Augen. Jetzt ahnte sie, was es wahrscheinlich zu bedeuten hatte, wenn sie in Paddington Station ausstiegen. Im Laufe der Jahre waren sie und ihre Brüder schon oft hier gewesen. »Hey«, sagte sie. »Auf gar keinen Fall ...«
    Genera packte sie am Arm. »Oh doch«, erwiderte sie. »Und da ich dich kenne, weiß ich: Das Letzte auf der Welt, das du willst, ist, vor all diesen Fremden hier eine Szene zu veranstalten wie eine Fünfjährige. Joel? Toby? Mitkommen.«
    Ness hätte sich beim Aussteigen davonmachen können, aber im Laufe der letzten Jahre hatte sie eine Vorliebe dafür entwickelt, genau dann in Opposition zu gehen, wenn die Gegenseite am wenigsten damit rechnete. Wegzulaufen, während sie das höhlengleiche Bahnhofsgebäude betraten, wäre die erwartete Reaktion gewesen; also entwickelte Ness eine andere Strategie.
    Sie versuchte, die Hand ihrer Tante abzuschütteln. »Meinetwegen«, sagte sie, »meinetwegen«, und bemühte sich sogar um diese nervtötende Etepetete-Aussprache, auf die ihre Tante so große Stücke hielt. »Du kannst mich jetzt loslassen«, fuhr sie fort. »Ich lauf schon nicht weg, okay? Ich komm ganz freiwillig mit. Aber es wird nichts ändern. Das tut es eh nie. Hat Gran dir das nich' gesagt? Na ja, wirste ja bald selber sehen.«
    Genera sparte sich die Mühe, ihre Ausrutscher in der Aussprache zu verbessern. Stattdessen kramte sie zwölf Pfund aus ihrer Handtasche und gab das Geld Joel - nicht Ness, der sie trotz ihrer vermeintlichen Kooperation nicht traute. »Während ich die Fahrkarten besorge, könnt ihr rüber zu W. H. Smith gehen«, sagte Genera. »Kauft ihr eine Zeitschrift, die sie gern liest, und etwas Süßes. Kauft euch selbst auch etwas. Joel?«
    Er schaute auf. Seine Miene war ernst. Er war vor einer Woche zwölf Jahre alt geworden, und schon lastete das Gewicht der Welt auf seinen Schultern. Genera erkannte das, und obwohl es ihr leidtat, wusste sie doch, dass sie nichts dagegen tun konnte. »Ich verlasse mich auf dich. Du sorgst dafür, dass deine Schwester dieses Geld nicht in die Finger bekommt, in Ordnung?«
    »Ich will deine blöde Kohle überhaup' nich', Genera«, fauchte Ness. »Kommt«, fügte sie an ihre Brüder gewandt hinzu und steuerte die Bahnhofsbuchhandlung an. Sie nahm Tobys Hand und versuchte, ihn dazu zu zwingen, mit dem ganzen Fuß aufzutreten statt nur mit den Zehenspitzen, indem sie mit der freien Hand seine Schulter hinunterdrückte. Er protestierte und wand sich, um ihrem Griff zu entkommen. Sie gab auf.
    Genera schaute ihnen nach, um sich zu vergewissern, dass die Kinder auch wirklich zu W. H. Smith gingen. Dann wollte sie die Fahrkarten lösen, doch die Automaten waren wie üblich außer Betrieb, sodass sie sich am Schalter anstellen musste.
    Die drei Campbells ließen den Blick über die wogende Menge schweifen. Die meisten Menschen im Bahnhof schienen um eine Position vor den Anzeigetafeln zu rangeln, als erwarteten sie minütlich die Verkündigung der Wiederkehr Christi. Joel dirigierte Toby in Ness' Kielwasser durch die Menge und machte ihn auf diverse Sehenswürdigkeiten - wie etwa einen durchgeknallten Reiseleiter - aufmerksam, um ihn in Bewegung zu halten: »Guck dir das Surfboard an, Tobe. Was meinste, wohin der Typ fährt?« Und: »Haste gesehen, Tobe? Da waren Drillinge in dem Kinderwagen.« Auf diese Weise geleitete er seinen Bruder in die Buchhandlung, wo er Ness am Zeitschriftenständer entdeckte. Sie hatte Elle und Hello! ausgesucht und stand vor der Süßigkeitenauslage, als Joel zu ihr stieß.
    Im Laden war es fast noch voller als in der Bahnhofshalle. Tobys Schwimmreifen machte die Sache nicht gerade einfacher, doch immerhin klebte der kleine Junge an Joels Seite wie Kaugummi unter der Schuhsohle.
    »Ich will diesma' keine Chips mit Geschmack«, erklärte Toby. »Ich will die normal'n. Kann ich auch 'n Ribena?«
    »Tante Ken hat nichts von Getränken gesagt«, erwiderte Joel. »Ma' gucken, wie viel Geld wir übrig haben.« Bestimmt nicht viel, wusste Joel, und die Ahnung bestätigte sich, als die Jungen sich wieder ihrer Schwester anschlössen. »Tante Ken hat nix von zwei Zeitschriften gesagt«, bemerkte Joel. »Wir müssen doch noch ihre Schokolade kaufen, Ness. Und uns're Snacks.«
    »Tja, von mir aus kann Tante Genera sich ins Knie ficken, Joel«, lautete die Antwort. »Gib mir die Kohle.« Sie wedelte mit der Hello! Auf dem Cover posierte ein jahrhundertealter Rockstar mit zu vielen Zähnen, einer vielleicht zwanzigjährigen Frau

Weitere Kostenlose Bücher