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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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mit diesem Mädchen zusammen? Wie heißt sie gleich wieder? Six? Warum hab ich die eigentlich nie kennengelernt?«
    Joel senkte den Blick, damit er nicht antworten musste.
    »Guck ma' meine Aufkleber, Tante Ken«, meldete Toby sich zu Wort. »Ich durfte mir 'nen Comic aussuchen, weil ich genug Aufkleber hab. Ich hab Spiderman genomm'. Is' in Joels Rucksack.«
    Das Wort »Rucksack« brachte Genera auf einen Schlag zu der Erkenntnis, wie Ness es angestellt hatte. Wie dumm sie gewesen war! Sie behielt Joel und Toby bei sich, bis es Zeit wurde, den Laden zu schließen, damit Joel keine Gelegenheit hatte, seine Schwester vorzuwarnen. Und als sie abends nach Hause kamen, nahm Genera sich als Erstes Ness' Rucksack vor, der über einer Stuhllehne hing. Sie öffnete ihn und schüttelte ihn über dem Küchentisch direkt vor Ness aus, die mit irgendjemandem telefonierte und zerstreut den neuesten Prospekt des Kensington and Chelsea Colleges durchblätterte, als habe sie tatsächlich die Absicht, etwas aus ihrem Leben zu machen.
    Ness' Blick schweifte von den Seiten des Prospektes zum Inhalt ihres Rucksacks und weiter zum Gesicht ihrer Tante. »Ich muss Schluss machen«, sagte sie ins Telefon, legte auf und beäugte Genera mit einem Ausdruck, den man argwöhnisch hätte nennen können, wäre er nicht gleichzeitig so berechnend gewesen. Genera durchsuchte den Inhalt des Rucksacks. Nessschaute an ihr vorbei zur Tür, wo Joel sich im Rahmen herumdrückte. Ihre Augen verengten sich, während sie ihren Bruder abschätzte und überlegte, ob er sie möglicherweise verpfiffen hatte. Sie glaubte es nicht. Joel war in Ordnung. Die Information musste aus einer anderen Quelle stammen, erkannte sie. Toby? Wohl kaum. Toby hielt sich die meiste Zeit in seinem Wolkenkuckucksheim auf.
    Genera versuchte, das Sammelsurium aus dem Rucksack zu deuten, wie ein heidnischer Priester, der sich in Wahrsagerei übt. Sie entrollte die Jeans und faltete das schwarze T-Shirt auseinander. Als sie die goldene Aufschrift »Tight Pussy« las, wanderte es umgehend in den Mülleimer. Sie wühlte sich durch Make-up, Nagellack, Haarspray, Haarklammern, Streichhölzer und Zigaretten, dann steckte sie die Hände in die hochhackigen Stiefel, um festzustellen, ob darin irgendetwas versteckt war. Zuletzt untersuchte sie die Taschen der Jeans und fand ein Päckchen Kaugummi und eines mit Zigarettenpapier. Letzteres packte sie mit dem bitteren Triumph eines Menschen, der seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt findet.
    »Also?«, fragte sie.
    Ness antwortete nicht.
    »Was hast du mir zu sagen?«
    Über ihnen wurde im Wohnzimmer der Fernseher eingeschaltet und zu einer nervenaufreibenden Lautstärke aufgedreht, sodass jeder im Umkreis von zweihundert Metern wusste, dass irgendwer im Haus Nummer 84 Toy Story II zum zwölften Mal anschaute. Genera warf Joel einen Blick zu. Er wandte sich zur Treppe, um sich um Toby und die Fernsehlautstärke zu kümmern, und blieb dann oben. Der explosiven Situation wollte er sich nicht aussetzen.
    Genera wiederholte ihre Frage. Ness griff nach ihrer Zigarettenpackung auf dem Küchentisch, doch Genera riss sie ihr aus den Fingern und feuerte sie in die Spüle. Dann hielt sie die Blättchen hoch. »Mein Gott, denk doch an deinen Vater! Er hat auch mit Gras angefangen. Das weißt du doch. Das hat er dir doch erzählt, oder? Euch hätte er doch nie was vorgemacht.
    Er hat bestimmt gesagt: >Sie werden mich so sehen, wie ich bin, oder sie können mich überhaupt nicht sehen.< Du bist doch sogar mit ihm nach St. Aidan gegangen und hast während der Treffen in der Kinderkrippe auf ihn gewartet. Das hat er mir erzählt, Ness. Also, was glaubst du, wofür das alles gut war? Antworte! Sag mir die Wahrheit! Glaubst du, du bist immun?«
    Ness kannte nur eine Überlebensstrategie, wenn jemand ihren Vater erwähnte, und das war Rückzug. Sie distanzierte sich, indem sie zuließ, dass der heiße Stein, der immer in ihrem Innern war, größer und größer wurde, bis sie ihn wie durch einen brennenden Tunnel aufsteigen und auf ihrer Zunge liegen fühlte. Verachtung war das, was sie empfand, wenn der Zorn in ihr am Werke war. Verachtung für ihren Vater - die einzig gefahrlose Emotion, die sie sich in Bezug auf ihn leisten konnte - und noch größere Verachtung für ihre Tante. »Was machste dir denn ins Hemd?«, fragte sie. »Ich dreh mir Kippen. Scheiße, du gehörs' echt zu denen, die immer das Schlimmste denk'n.«
    »Sprich anständiges Englisch, wie

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